Designgeschichte
Designgeschichte befasst sich mit den historischen Erscheinungsformen arbeitsteiliger Gestaltungsprozesse und ihrer Produkte sowie mit der Rezeption, Interaktion und gesellschaftlichen Relevanz entsprechender Entitäten. Sie steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Lehrgebiet Designtheorie.
Die Diskussion um die Gestaltungsmoderne wird dabei oft auf den Begriff »Funktionalismus« reduziert. Ein Schwerpunkt des Lehrgebietes besteht daher in der kritischen Hinterfragung des Begriffs, seiner unterschiedlichen Rezeptionsformen und heutigen Bedeutung, wobei der Begriff Funktionsorientierung treffender ist.
Epochendefinition
Wenn man die Geschichte der eigentlichen Gestaltungsmoderne von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute betrachtet, dann war diese von einer erstaunlichen Diskursvielfalt begleitet. Ob dabei die Postmoderne einen wirklichen Bruch und damit das Ende der Moderne bedeutet hat, stellt sich heute anders dar als vor 30 Jahren. Heinrich Klotz’ Begriff von der Zweiten Moderne, den er auf dem Höhepunkt der Postmodernendiskussion prägte, scheint dabei nach wie vor Gültigkeit zu besitzen.
Wenn sich die Beschreibung einer Trennung von Entwurf und Ausführung designhistorisch auf Giorgio Vasaris 2. Auflage der Viten von 1560 und auf die von ihm initiierte Accademia delle arti del disegno, 1563 in Florenz, zurückführen lässt, so wird man den eigentlichen Beginn einer sowohl handlungsorientierten wie theoretischen Gestaltungsmoderne bei Gottfried Semper lokalisieren können. Und dies mit überraschenden Aspekten. Zweck und Materie, also das Verhältnis von Funktion und Material, der Blick auf die »Urformen« der Natur, also nicht auf die sichtbare Natur, sondern etwa auf die Zellstrukturen, werden da thematisiert. Seine Forderung nach Kompatibilität der Artefakte mit unterschiedlichen Umgebungen, sein Hinweis auf den Überfluss an Mitteln bei gleichzeitig fehlender Heuristik und nicht zuletzt seine Überlegungen zur Designausbildung und zu dem von ihm mitinitiierten, 1852 gegründeten South Kensington Museum in London als Ort der Designbetrachtung und Reflexion, könnten manch aktueller Diskussion eine andere historische Dimension geben.
Nicht weniger interessant ist der Antipode John Ruskin, wenn wir über Design, Politik und Wirtschaft oder – ebenfalls recht aktuell – über den Eigenwert von Handwerk oder das Ornament sprechen. Auch Louis Sullivan wird man nicht auf »form follows funktion« festschreiben können, da es auch bei ihm keine einfache Kausalität von Form und Funktion gegeben hat. Bei Kasimir Malewitsch und Theo van Doesburg stößt man auf ein ebenso rational-konstruktives wie gleichzeitig spirituelles Designverständnis, bei Adolf Loos auf den Hinweis, dass »die form eines gegenstandes so lange halte, … solange der gegenstand physisch hält«, was unterschiedliche Gestaltungsbereiche eben nicht grundsätzlich in einen ornamentfreien Zusammenhang stellt und bis heute eine wichtige Differenzierung hinsichtlich der Sprachintensität von Artefakten ist.
Schließlich ist festzustellen, dass es auch ausgesprochen »semantische Funktionalisten« gab, wie die Architekten Hugo Häring und Hans Scharoun oder die Designer George Nelson, Sori Yanagi, Walter Zeischegg oder Max Bill. Auch Ferdinand Kramer gehört dazu, dessen Rücksetzungen von Bedeutungen in der Einrichtung der Wohnung vor der Folie des Bedeutungsschwulstes des Historismus gesehen werden muss und der in seinen Möbelentwürfen außerordentlich intelligente Details und Prinzipien entwickelt hat. Mit dem Wissen um die Tätigkeit dieser und weiterer Gestalter besteht eine historische Grundlage zur längst überfälligen, aber langsam wieder beginnenden Diskussion über Design und Gesellschaft sowie über Design und Ressourcen. Kenya Haras »Designing Design« wäre da aktuell zu nennen ebenso wie Naoto Fukasawa. Und bei Dieter Rams wird man am Objekt konkrete Erfahrungen über die visuelle Halbwertzeit von Konsumprodukten sammeln können.
Designgeschichte im Kontext
Gestaltete Artefakte nur als Formengeschichte zu betrachten, wird dem Fach nicht gerecht. Dazu gehört ein erweiterter Blick auf sämtliche Wirkungsbereich bis hin zu politischen Implikationen. Aber auch die direkten Nachbargebiete werden bei der Offenbacher Lehre berücksichtigt. Kunst, Architektur und Design haben im Prozess der Industrialisierung eine immer größere Trennung und Spezialisierung erfahren. Fast genauso alt sind aber auch die Bemühungen, die Bereiche wieder zusammen zu führen. Im Arts and Crafts ebenso wie im Werkbund oder am Bauhaus. Eine wichtige Rolle hat dabei der Industriebau vor dem Ersten Weltkrieg gespielt. Über ihn wurden viele Debatten geführt, die später auch das Produktdesign erreichten. Es war kein Zufall, dass Peter Behrens hier vor dem Ersten Weltkrieg Architektur, Produkt- und Kommunikationsdesign der AEG gleichzeitig bearbeiten konnte. Der Werkbund, das Bauhaus, das Neue Frankfurt, die Werkkunstschulbewegung oder die HfG Ulm haben diesen Anspruch weitergeführt, der heute vielleicht durch die Digitalisierung, durch das Verschwinden und gleichzeitige Neuauftauchen realer und virtueller Räume eine neue Dimension erhält. Design und Architektur bewegen sich gegenwärtig aufeinander zu und das nicht nur bei den Medienfassaden, sondern vor allem bei der Disposition von realen Artefakten und digitalen Schnittstellen im realen und virtuellen Raum.
Design und Architektur haben wesensbedingte Übereinstimmungen. Beide handeln von Gebrauch und Bedeutung, stehen in einem Handlungskontext und müssen sich konsensual im Entstehungsprozess mit Dritten arrangieren und sind schließlich in jeder Hinsicht funktionsgebunden. Anders verhält es sich mit der Bildenden Kunst, die zwar auch ein bildgebendes Medium, aber in jeder Hinsicht radikal, experimentell, fiktional und funktionsungebunden ist und daher eine andere, wenn auch nicht unwichtige Beziehung zum Design bildet.
Museumsausstellungen zum Design sind ein wichtiges Medium zur Generierung von designhistorischem Wissen und dessen Vermittlung. In Kooperation mit dem Frankfurter Museum Angewandte Kunst sollen dabei zukünftig entsprechende Projekte entwickelt werden.
Das Lehrgebiet ist durch eigene Projekte auch damit befasst, ein methodisches und eigenständiges wissenschaftliches Forschungsprofil für das Fach Designgeschichte zu befördern.
Aktuelle Forschungsbereiche sind die Designgeschichte des Rhein-Main-Gebiets von der vorletzten Jahrhundertwende bis in die 1980er-Jahre, Einzelphänomene des Projekts Neues Frankfurt, wie die Frankfurter Küche oder die Neue Typografie, sowie das Phänomen »Morphologischer Transformationen« im Produktdesign, d.h. im Gegensatz zur Kopie die intelligente Übernahme von Formelementen in völlig andere Produkte.
Alle Objekte sind Sammlungsgegenstände aus der Designsammlung des Museums Angewandte Kunst Frankfurt a.M.
Kalender
30. Juni 2015Designmythen: Vortrag von René Spitz
19:00 Uhr, Museum Angewandte KunstNews
Professur Designtheorie und Designgeschichte
Dr. Klaus Klemp, stellvertretender Direktor und Kurator für Design am Museum Angewandte Kunst Frankfurt besetzt ab dem Wintersemester 2014/15 die Professur für Designtheorie und Designgeschichte an der HfG Offenbach.