Nasan Tur
»Die eigentliche Entwicklung meiner Arbeiten findet draußen statt.« Der Künstler Nasan Tur forscht – bevorzugt außerhalb der Atelierwände – zu Gesellschaft, Politik und zum Einfluss der Medien. Er arbeitet konzeptuell. Zum Teil fertigt Tur seine Arbeiten selbst, manchmal helfen Assistent_innen: »Ich bin kein Fabrikkünstler«, sagt er.
Wir treffen Nasan Tur in seinem Arbeitsraum im Kunstquartier Bethanien in Berlin-Kreuzberg. Das Gebäude beherbergt Künstlerateliers, aber auch freie Theaterstudios und Druckwerkstätten. Tur bereitet gerade Galerieausstellungen in Belgien, Portugal und in Berlin vor. Auch eine Einzelausstellung im Kunst Haus Wien steht an. Sein großzügiges und helles Atelier macht einen aufgeräumten Eindruck.
Einige ältere Arbeiten sind dort zu sehen, aber auch Werke, die noch nicht gezeigt wurden. Am Auffälligsten ist dabei »Nekerman«, eine Arbeit aus dem Jahr 2008, an der sich Turs Arbeitsweise exemplarisch nachvollziehen lässt. Er sammelte dafür in der rumänischen Hauptstadt Bukarest funktionslos gewordene Leuchtbuchstaben von kaputten Fassaden. Das Versandhaus Neckermann sei, erzählt er, während der sozialistischen Diktatur so populär gewesen, dass es in die Sprache einfloss. »Nekerman« sei zeitweilig ein Synonym für gute, westliche Qualität gewesen. Nach der Revolution sei das Wort aus der rumänischen Sprache verschwunden, ergänzt Tur.
Seit 2006 lebt und arbeitet Nasan Tur in Berlin. »Es war eine gute Entscheidung«, sagt er. Bis 2003 studierte er an der HfG Offenbach. Seinen Abschluss machte er im Lehrgebiet Experimentelle Raumkonzepte. Zum damaligen Fotografie-Gastprofessor Lewis Baltz verband Tur „eine freundschaftliche Bindung“ – bis zu dessen Tod. An die HfG kam Nasan Tur im Jahr 1995, ohne vorher irgendeine Berührung mit Kunst zu haben: »Ich bin Offenbacher.« Seine Heimatstadt besucht er bis heute relativ regelmäßig.
Die Entscheidung, Künstler zu werden, kam erst viel später im Studium. Sein Fokus war klar: »Produkte für den White Cube herzustellen, hat mich nicht interessiert.« Kunst sei nicht nur Museum und Galerie. Im Studium konnte er frei und selbstständig arbeiten. »Auch die Werkstätten haben mir Welten erschlossen, die ich vorher nicht kannte«, erzählt er. Schon während des Studiums arbeitete Tur mit Jakob Sturm und Felix Ruhöfer bei »Raumpool« – einer Initiative, die temporäre Räume für Ausstellungen, Theater- und Performanceprojekte in Frankfurt und Offenbach vermittelte.