Julia Rommel
Ubiquität – Raumkonstitution im Kontext von Informations- und Kommunikationstechnologien
Fachbereich Kunst
Ubiquität ist eine Art praktizierte Vision, zugleich Konzept und gelebter Alltag: An mehreren Orten zugleich präsent zu sein, wird innerhalb unserer Gesellschaft als positive Fähigkeit konnotiert, entsprechend dem Ideal eines mobilen, flexiblen und global vernetzten Individuums.
Im Kontext eines fest in unserer Gesellschaftskultur verankerten euklidischen Raumsystems erscheint Ubiquität als unerreichbare Utopie, setzt diese doch eine entsprechende Aufteilung des Körpers auf mehrere Orte voraus. Dem Menschen scheint Ubiquität, ganz im Sinne des theologischen Ursprungs dieses Begriffs, als ausschließlich göttliches Attribut verwehrt zu sein. Dennoch wird Präsenz, die nicht allein einem Ort zugeschrieben werden kann, in alltäglichen Handlungen praktiziert, indem wir das euklidische Raumsystem in der Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien überwinden, z.B. wenn wir eine andere Person hören oder sehen, die sich außerhalb einer für unseren Wahrnehmungsapparat zu bewältigenden Distanz befindet.
Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Positionen ergibt sich eine Frage der Anordnung: Wer bewegt sich – das Individuum im Raum oder der Raum um das Individuum? Um eine solche Diskussion zuzulassen, ist ein Wechsel vom Modell des absolutistischen zum relationalen Raumbegriff notwendig. Dieser ermöglicht einen Fokus auf die Präsenz des Individuums in Abhängigkeit dessen der Raum beschrieben wird. In der Anwendung von Technologien ergeben sich unterschiedliche, oftmals uneindeutige Präsenzqualitäten. Dieses sich eröffnende Präsenzpotenzial soll auf Basis des Leibbegriffs Merleau-Pontys und dessen Idee einer Differenzierung des Leibs in Körperding und fungierenden Leib untersucht werden. Die Analyse unterschiedlicher Präsenzformen erfordert darüber hinaus eine genaue Untersuchung der Beziehung von Individuum und Technologie.
Innerhalb eines Spannungsfelds von Macht- und Begehrenslogik der Medien entwickelt sich Ubiquität als eine Art praktizierte Vision von durch die Technologie selbst initiierten Konzepten und gelebten Handlungsweisen des Individuums. Uneindeutige Präsenz ist das Ergebnis einer zur Routine gewordenen Technologiepraxis, in der ich die Technologie in meine Selbstwahrnehmung integriere, ohne dies konkret zu reflektieren.
Auf der Basis von Technologieprotokollen (Dokumentation persönlicher Erfahrungen von Situationen zur Nutzung unterschiedlicher Technologien) soll die Dissertation in erster Linie die Transformation dieser veränderten Selbstwahrnehmung in Bezug auf den Raum sowie das gegenseitige Wahrgenommenwerden zwischen Kommunikationspartnern analysieren. Darüber hinaus sollen die Konsequenzen dieser Selbstwahrnehmung als Entwicklung einer Kulturtechnik aufgezeigt werden, einer von der Selbstwahrnehmung abgeleiteten Raumvorstellung sowie gesellschaftlicher Verhaltensformen, die sich in diesem Raum etablieren.
Betreuer:
Prof. Dr. Marc Ries
www.juliarommel.com