Maria Sitte
Zur bildwissenschaftlichen Bedeutung investigativer und forensischer Strategien im zeitgenössischen Kunstkontext am Beispiel von Forensic Architecture
Fachbereich Kunst
Investigative Recherchen sind heute ein ebenso ubiquitäres wie heikles Thema. Mit dem Aufstieg digitaler Technologien und ihrem Einzug in die mediale Alltagswelt scheint, vor allem seit der Jahrtausendwende, eine breite Begeisterung für das Investigative neuen Raum zu gewinnen. Die (Neu-)Gründungen zahlreicher Investigativ-Ressorts in Zeitschriften, Hörfunk und Onlinemedien, die sich dem Aufdecken von systematischen Missständen, Korruption und Machtmissbrauch widmen, offenbaren ein steigendes Interesse an aufwendigen Berichterstattungen im letzten Jahrzehnt. Parallel zu dieser journalistischen Entwicklung lässt sich im Kunstkontext eine vergleichbare Hinwendung zu einem investigativen Impetus beobachten.
Im Fokus des Promotionsprojektes stehen installative und filmische Arbeiten, die sich der Aufdeckung politischer Mordverbrechen widmen und dabei dokumentarische, journalistische, künstlerische und forensische Techniken adaptieren. Das Promotionsprojekt fragt nach dem aufklärenden Potential und dem visuellen Imperativ der Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit: Welchen Prinzipien ist die Bildästhetik verpflichtet ist und welche wirkungsästhetischen Aspekte lassen sich daraus ableiten. Gehen mit den Prozessen des visuellen Zur-Sichtbarkeit-Bringens ausschließlich emanzipatorische Aspekte einher oder bergen die bild- und wirkungsästhetischen Strategien gewisse Gefahren der Vereinfachung und Meinungslenkung? Die bildwissenschaftliche und rezeptionsästhetische Analyse nimmt einerseits das Wechselspiel ästhetischer Darstellungsmodi und anderseits die daraus hervorgehenden Rhetoriken der Überzeugung, ihr mal politisches, mal juristisches und mal moralisches Ethos, in den Blick. Es gilt dabei nicht nur das Phänomen des Investigativen zu charakterisieren, sondern auch die eingesetzten Bildmittel zu problematisieren und einen differenzierten Begriff des Investigativen zu etablieren.
Betreuende:
Prof. Dr. Christian Janecke (HfG Offenbach)
Prof. Dr. Ulrike Gehring (Universität Trier)
Vita
Maria Sitte ist Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin. Seit 2018 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach im Lehrgebiet Kunstgeschichte und promoviert zum Thema „Investigative und forensische Strategien im zeitgenössischen Kunstkontext am Beispiel von Forensic Architecture“. Als freie Kuratorin realisierte sie die Ausstellungen „Aus heutiger Sicht. Diskurse über Zukunft“ (2021) im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt, „The and“ (2020) im Kunsthaus L6 in Freiburg im Rahmen der Biennale de la Photographie de Mulhouse und „Talk to me“ (2018/19) im Kunstverein Freiburg. Von 2015 bis 2018 war sie kuratorische Assistentin in der Schirn Kunsthalle Frankfurt und co-kuratierte dort u.a. die Ausstellungen „Power to the People“, „Peter Saul“ und „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“. Zuvor absolvierte sie einen Magister in Kunstgeschichte, Psychologie und Geschichte an der Universität Trier. Maria schreibt regelmäßig Beiträge für Ausstellungskataloge und Kunstmagazine. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.