Adrian Ruth Williams
THE HORSE’S MOUTH Demaskierung von Ideologien der Stimme
Fachbereich Kunst
Eine Stimme zu haben bedeutet, ein Mensch zu sein. Durch sie fließt die Absicht aus dem Körper wie eine Brücke, wenn wir uns selbst behaupten, Wünsche äußern, Probleme lösen, Schmerz teilen, Geschichten erzählen und Liebe bekunden. Während die Philosophie und die Religion die Stimme als Ausdruck der Seele preisen und ihren akustischen Gehalt als etwas Vergängliches betrachten, untersuchen sie die Natur- und Sprachwissenschaften physiologisch. Trotz intensiver Studien entzieht sich die Stimme dem Fakt, aus und von nur einem einzigen konkreten Ort zu sprechen. Dennoch verbinden wir mit einem stimmlichen Ausdruck, der völlig unerkennbar zu sein scheint, Vorstellungen von Wahrheit. Dabei ist die Quelle selbst untrennbar mit der vokalisierten Botschaft verbunden. Und wenn es darum geht, wer sie ist, woher sie kommt, die Stimme in der Person zu identifizieren, die Person in der Stimme, dann konstruieren auch wir immer nur als Sprecher_innen und Zuhörer_innen.
Was wir aus dem Klang einer bestimmten Stimme zu wissen glauben, ist immer nur das, was wir meinen zu wissen. Können wir die umstrittenen akustischen Marker von Rasse, Geschlecht, Klasse und Alter aus den stimmlichen Signalen erkennen und sie einfach als Indikatoren für Möglichkeiten darstellen? Können wir die Idee eines Körpers von einer bestimmten Stimme trennen? Wenn wir die (Englishe) Redewendung “straight from the horse’s mouth” (und suggeriert eine Botschaft, die aus einer unbestreitbaren Quelle stammt) als Idee einer überprüfbaren Wahrheit betrachten, angesichts der Tatsache, dass Stimme heute so leicht abstrakt, algorithmisch, mechanisch usw. erzeugt werden kann, sollten wir Stimme dann überhaupt noch in Bezug auf Körper oder Individuen denken?
In einer Reihe von spekulativen Essays erzählt The Horse's Mouth eine Geschichte öffentlicher und privater Ereignisse, bei denen die Stimme durch Körper wandert. Sie untergräbt beabsichtigte Lesarten, indem sie die Stimmquelle verändert und zu einer sanfteren Bindung an feste Stimmideologien aufruft. Eine Bindung, die die Anwesenheit solcher Ideologien registriert und gleichzeitig zu ihrer Auslöschung einlädt. Diese Beispiele verweisen auf die Wandlungsfähigkeit der Stimme—vor, während und nach der stimmlichen Äußerung—als kulturelles Objekt, das durch Körper vermittelt wird, in denen eine Vielzahl von Personen, Geschichten und Absichten sowohl unbeabsichtigt als auch gewollt präsent sind. The Horse's Mouth imaginiert einen Bruch in der Vorstellung von der individuellen, körperfixierten Stimme. Dieser glitchartige Bruch ist ein Ort, an dem wir phantasmagorisch füreinander durchlässig werden, während die Welt, die wir geschaffen haben und weiterhin schaffen, sich unaufhaltsam durch uns alle bewegt.
Assoziierte Bereiche: Musikwissenschaft, Philosophie, Linguistik, Anthropologie, Soziologie, Geschichte und Kunst
Praxis: Ich forsche und schreibe über die Stimme im Tandem mit meiner künstlerischen Praxis, während ich die Natur unserer proprietären Beziehungen zu verschiedenen Ausdrucksformen betrachte.
Betreuende:
Prof. Dr. Juliane Rebentisch
Prof. Dr. Marie-Hélène Gutberlet
Prof. Maria Fusco
Vita
Adrian Ruth Williams (*1979, Portland, Oregon) ist eine transdisziplinäre Künstlerin, die konzeptuelle Erzählstrukturen durch Klang und Stimme, Text, Bewegtbild, Fotografie, Performance und Installation einsetzt. Ihre Arbeit bewegt sich in Bereichen, die sowohl wörtlich als auch fiktiv sind, und erforscht die Form des menschlichen Daseins.
Williams erhielt einen Bachelor of Fine Arts von der Cooper Union, New York, und ist Meisterschülerin der Städelschule, Frankfurt.