Mathias Windelberg
Kabinette des Zeigens. Institutional Critique im Expanded Cinema – Expanded Cinema in der Institutional Critique
Fachbereich Kunst
In meiner kunstwissenschaftlichen Arbeit wird das Verhältnis vom musealen Ausstellen zu zeitgenössischen Künstlerfilmen, die kritisch Praktiken des Ausstellens zum Gegenstand haben, verhandelt. Notwendigen Transformationen von den Museen in die Künstlerfilme, dabei impliziten Mediendifferenzen und den sich daraus für Ausstellungsfilme erst ergebenden Potentialen wird besondere Beachtung geschenkt.
Dazu soll in einem ersten historischen Strang auf das Expanded Cinema zurückgegriffen werden: Unter diesen Schlagworten verstehen die Kunstwissenschaften gemeinhin solche Formen des Kinos und des Films, die seit ca. 1960 durch KünstlerInnen angeeignet wurden und welche daraufhin verwandelt in die Ausstellungsräume wanderten. Blackboxes mit Projektionsscreen(s) avancierten dabei jedoch nicht nur zu neuen Medien, Orten oder Konventionen des Zeigens. Die kinematographischen Installationen selbst etablierten sich schon bald auch in der Wahrnehmung der Kritik als autonome Kunstwerke.
Für meine Untersuchungen werde ich zusätzlich auf einen zweiten kunsthistorischen Diskurs rekurrieren, der bisher als unabhängig von jenem zum Expanded Cinema verstanden wird: KünstlerInnen ließen, ebenfalls seit den 1960er-Jahren, Galerien und Museen innerhalb von Kunstwerken zu sich selbst zurückkehren. Überzeugt, dass immer auch der Kontext eines Kunstwerks dessen Rezeption beeinflusst, hinterfragten sie Anfangs die Bedingungen der Ausstellungsräume. Schnell rückten sie dazu reflexiv die Funktionsweisen verschiedener Institutionen der Kunst in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit: Auch Strategien, Vorannahmen sowie Ein- oder Ausschlussmechanismen, kurz die Praktiken des Ausstellens, wurden zum Thema entstehender, oft konzeptueller Arbeiten. Darin brachten die KünstlerInnen emanzipatorische Potenziale zur Geltung, verformten und erweiterten die Dispositive des Zeigens und stellten jeweilige Grenzen in Frage. Dieser Diskurs über ein künstlerisch-kritisches Vorgehen im Lichte der Öffentlichkeit wird unter dem Ausdruck Institutional Critique subsumiert.
Heute allerdings scheint etwas bemerkenswertes zu geschehen: Seit etwa einer Dekade dehnt sich die Institutional Critique auf das Expanded Cinema aus. Auf die Kunstwerke also, welche erst durch Vorstellungskraft und Trägheit der Netzhaut zu sich bewegenden Bildern werden, und zwar in einem durchaus intimen Näheverhältnis: Im dunklen Raum zwischen RezipientInnen und Screen(s). Die Expansion und Appropriierung des Kinematographischen auf die und in der Kunst ist damit zwar keineswegs ersetzt oder gar beendet. Immer neue und immer wieder interessante Werke der Videokunst werden präsentiert und mittlerweile sogar wieder im Kino projiziert. Daneben finden sich unzählige, dienende Formen des Films, die sich ebenfalls mit dem Musealen befassen – Trailer, Dokumentar-, Spiel- oder Lehrfilme. Bei weitem nicht alle hinterfragen in der Tradition der Institutional Critique Orte, Bedingungen und Konventionen des eigenen Ausgestelltseins. Derartige Ansprüche sollen von meiner Seite aus auch keiner Arbeit diktiert werden.
Hier allerdings wird es ausschließlich um das glitzernde Fragment aus dem großen Schatz der kinematographischen Künste gehen, welches beide Narrationen, Institutional Critique und Expanded Cinema, verknüpft. Befreit von ursprünglichen Funktionen des Films –Werbebotschaft, Unterhaltungsmedium oder Unterrichtsmaterial –wurden kinematographische Kunstwerke in Ausstellungen zum Reflexionsmedium über sie. So stellt sich an der Überschneidung von Museum, Kunst und Film mein Untersuchungsgegenstand als Expanded Cinema in der / als Form von Institutional Critique vor. Meine Untersuchungen führe ich dabei entlang fünf zeitgenössischer Fallstudien durch. Folgende Ausstellungshäuser werden thematisiert: MMK Frankfurt, Tropenmuseum Amsterdam, Wilberforce House Hull, Minenmuseum Lavrion und numismatisches Museum Athen. Korrespondierende Künstlerfilme stammen von Danica Dakic, Wendelien van Oldenborgh, Isaac Julien sowie Anja Kirschner und David Panos. Ob ausgehend von diesen kinematographischen Kunstwerken Verschiebungen oder Transformationen an den Museen auftreten, ob es zu gegenseitigen Beeinflussungen kam oder Transgressionen dazwischen zu beobachten sind, wird komparatistisch analysiert. Erkenntnisse werden in Hinblick auf museumspolitische Konsequenzen gedeutet. Keinesfalls jedoch soll am Ausgang der Institutional Critique eine vernichtende Beurteilung der Institution Museum an sich formuliert werden, wie es bisweilen in pessimistischer Lesart als »Einverleibung kritischer Arbeiten oder Institutionalisierung von Kritik« verstanden wurde. Im Gegenteil: Meist sind die Museen selbst in durchaus offener und häufig fördernder Geste Auftraggeber und Projektionsorte untersuchter Werke zugleich. Die Aufmerksamkeit der Institutionen für kritische Impulse, wie sie in den zu diskutierenden Kunstwerken geäußert wird, kann somit auch als Zeichen des Fortschritts gedeutet werden. Museen müsste dann zugute gehalten werden, auch Kritik gemäß der Aufgabe zu sammeln, zu ordnen und als Exponat ohne kommerzielles Interesse dem Publikum zugänglich zu machen.
Betreuende:
Prof. Dr. Marc Ries