Annie Kurz
Offline, unplugged, disconnected… Eine postphänomenologische Untersuchung von Absenz-Beziehungen zu Technologien
Fachbereich Kunst
Welche Beziehung haben wir zu Technologien, wenn absent, ausgeschaltet, nicht in Benutzung? Wie ist die Mediation des Abschaltens zu denken? »Apps gegen Apps« wie z.B. Freedom (2008), AppDetox (2013) oder Digitox (2019), die entworfen wurden, um uns von Apps fernzuhalten, versprechen mehr »Off Time« – »Auszeit«, sie markieren auch einen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Einstellung Technologien gegenüber. Selbst wenn dystopische Panik und utopische Hysterie beiseite gelegt werden, ist eine Nostalgie des Analogen zu beobachten. Zustände des »offline, unplugged, disconnected…« haben fast schon einen trendy Charakter des Begehrens nach temporärer internet-freier Zeit. Die quantitative Eigenschaft des Seins mit dem virtuellen ODER dem natürlichen Körper wird fühlbar, aber nicht trennbar innerhalb von Selbst-Identitätskonstruktionen. Mittlerweile verstehen wir unsere technologischen Apparate als mehr als nur Werkzeuge oder von uns getrennte Untersuchungsobjekte. Stattdessen erkennen wir ihnen ihren Beziehungscharakter an. Don Ihdes Konzept der Postphänomenologie, entwickelt aus der experimentellen Phänomenologie (Ihde 1986), bietet ein systematisches Vorgehen zur Decodierung von Mensch-Technologie-Welt-Beziehungen. Der bekannte amerikanische Technikphilosoph verneint die Suche nach Essenz und betont die Pluralität von Technologien und Techniken sowie ihre nichtneutrale Natur. Funktionalitäten sind multistabil und können im Designprozess nicht vollständig vorweggenommen werden. Ihdes Formeln eröffnen besonders nützliche Untersuchungsmethoden für Designer*innen und sind zunehmend fruchtbar auch innerhalb der Kunst. Seine Arbeit ist bekannt, aber nicht weitgehend repräsentiert im deutschen Sprachraum oder an Designhochschulen. Wie kann das Phänomen der Absenz von Technologie verstanden werden innerhalb von Postphänomenologie und kann es unter die Lupe der historischen Variation gelegt werden? Das Bewusstsein über einer Technologie reicht aus, um die Lebenswelt zu verändern, diese ist jedoch nicht vollständig, bis das »Abschalten« nicht Teil dessen wird. Mittels einer spekulativ-künstlerischen Methode möchte ich die Terminologie »Absenz-Beziehungen« vorschlagen, um Phänomene der ungewollten oder beabsichtigten Abtrennung des Selbst von den Techniken des Netzwerkes zu beschreiben.
Ihde, Don. 1986. Experimental Phenomenology: An Introduction. Albany: State University of New York Press
Betreuende:
Prof. Dr. Marc Ries, Prof. Kerstin Cmelka
Konferenz Vorträge:
- 2024: “Aesthetic Promises of ‘Digital Detoxing’”, EASSTS /4S Conference, Making and Doing Transformations, Juli 16-19, 2024, Amsterdam, NL
-
2023: “Postphenomenological Categories of Nothignesses”, SPT - Society for Philosophy and Technology Conference, Juni 07-10, 2023, Tokyo, JP
- 2022: “Staring at Nothing - Ihde, Sartre and the Problem of Non-Use”, PHTR - Philosophy of Human Technology Relations Conference, Juli 05-07, 2022, Copenhagen, DK
- 2021: “Offline, Unplugged, Disconnected...” SPT - Technological Imaginaries,Society for Philosophy and Technology Conference (online), Juni 28-30, 2021, Lille, FR
- “Offline, Unplugged, Disconnected...” Workshop on Philosophy of Technology (BudPT21), 09-10 Dez., 2021, Budapest, HU
- 2020: “Offline, Unplugged, Disconnected...” PHTR - Philosophy of Human Technology Relations Conference (online), Nov., 04 -07, 2020, Twente, NL
Vorträge (eingeladen):
- 2023: "Nothing in Practice: Entanglements of Sartre’s Nothingness and Social Media Practice". Workshop on Phenomenology and the Philosophy of Technology at the Design Lab, Twente, NL
- “Offline, Unplugged, Disconnected...”, STS and Philosophy of Technology Workshop, 13 Nov. 2023, Georgia Institute of Technology, Atlanta, US
- 2019: Werkbericht: "Google can you see me?" Hochschule Reutlingen, DE
- "SkypeLab 100 Questions", SympoLab, 22@ Barcelona, RMIT Europe, ES
- 2017: Artist Talk: "Mother Inbox", Picture Berlin, DE
- 2013: Werkbericht am RMIT, Department of Art in Public Space, Melbourne, AUS