Dr. Sebastian Mühl
Utopiekonzepte in der Gegenwartskunst
(Fachbereich Kunst)
Bis heute stellt die Utopie ein zentrales Betrachtungsfeld der Kunst dar. Utopiekonzepte sind Bezugspunkte künstlerischer Praktiken, die ein politisches Selbstverständnis artikulieren und sie bilden Fluchtlinien im Hinblick auf die Formulierung politischer und ästhetischer Überzeugungen im Verhältnis von Kunst und Gesellschaft. Waren Fortschrittsoptimismus und die Einbehaltung von Emanzipationsperspektiven noch konstitutiv für das kulturelle Selbstverständnis der Moderne, so wird in der spätmodernen Gesellschaft oftmals ein Verschwinden oder ein Verlust utopischen Bewusstseins diagnostiziert. Mit dem Ende der großen Erzählungen scheint die Legitimität utopischen Denkens überhaupt in Frage gestellt. Handelt es sich bei dem andauernden Interesse der Kunst an utopischen Entwürfen um ein Kompensationsmotiv? Um eine Reflexion politischer Gehalte im Medium des Ästhetischen? Um eine strategische Verbindung zwischen Kunst und Politik? Die Migration der Utopie in die Diskurse und Erfahrungsbereiche des Ästhetischen kann weder als völlig neu noch als ein den Begriffen von Kunst, Ästhetik und Politik äußerliches Phänomen verstanden werden. Sie muss im Hinblick auf das Verhältnis der jeweiligen Konzepte zueinander sowie auf die Verwicklung je unterschiedlicher Problem- und Zielstellungen in den einzelnen Bereichen untersucht werden.
Das Dissertationsvorhaben will der Frage nachgehen, wie die Utopie als fundierendes Motiv für das Selbstverständnis einiger Formen zeitgenössischer Kunstpraxis erscheint. Die eingenommenen Perspektiven sind höchst widersprüchlich: von analytischen Bezugnahmen auf die Utopien der historischen Avantgarden zu empathischen Neuformulierungen politischer Utopien im Kunstaktivismus, von den Mikrotopien der Relationalen Ästhetik bis zu kritischen Kunstpraktiken, die auf einer Negativität des Ästhetischen bestehen. Angesichts solcher miteinander konkurrierender Ansätze bildet das Utopieproblem eine Folie, auf der nicht nur nach der Möglichkeit überhaupt, sondern auch nach dem systematischen Ort der Utopie zwischen ästhetischen und politischen Überlegungen zu fragen ist.
Neben der Diskussion politischer und ästhetischer Utopiekonzepte u.a. bei Debord, Adorno, Badiou und Habermas werden künstlerische Praxisformen und ihre begleitenden Diskurse untersucht: Im Zentrum stehen die Debatten um Partizipation und Relationale Ästhetik, die zeitgenössische Modernerezeption, das Paradigma der kritischen Kunst sowie neuere Formen politisch engagierter, interventionistischer Kunstpraxis. Bei der Analyse sollen sowohl die jeweiligen Alternativen klar herausgestellt als auch das Verhältnis von Kunst, Utopie und Politik einer Revision unterzogen werden.
Betreuende:
- Prof. Rotraut Pape
- Prof. Dr. Juliane Rebentisch