Dr. Tania Ost
Langzeitprojekte in der Porträtfotografie
(Fachbereich Kunst)
Langzeitprojekte begleiten über einen langen Zeitraum ein Sujet – wobei die Länge des Zeitraums in Relation zum gestellten Motiv definiert werden muss. Im Vergleich zu anderen Projekten, die ebenfalls lange Zeit in Anspruch nehmen, wird hier die verstreichende Zeit selbst zum Thema. Mein Interesse gilt der Porträtfotografie.
Langzeitprojekte in der Porträtfotografie bewegen sich zwischen Authentizität und Inszenierung: Je nach Intention wählt der Fotograf zunächst ein rigides Konzept oder lässt ein offenes Ergebnis zu. Einzelne Langzeitprojekte rücken damit in die Nähe einer streng wissenschaftlichen Studie. Ob nun der Fotograf mit der Zeit dem Menschen näherkommt oder die Medienfähigkeit des Porträtierten wächst – der Gesichtsausdruck schwankt immer zwischen Natürlichkeit und Pose.
Erst das Konvolut – nicht die einzelne Fotografie – stellt das eigentliche Werk dar: Während sich bei Werken, die aus nur einem Teil bestehen, die Frage nach der Anordnung zwar stellen kann, muss sie sich bei Serien im Allgemeinen und Langzeitprojekten im Speziellen stellen. Der Umfang sprengt oftmals den Raum oder Rahmen einer Ausstellung und stellt den Kurator vor die Aufgabe, eine Auswahl zu treffen. Eine besondere Position nimmt deshalb bei Langzeitprojekten in der Porträtfotografie der sonst als Nebenprodukt einer Ausstellung erscheinende, der Dokumentation dienende, Katalog ein. Während Kataloge Ausstellungen meist unvollständig wiedergeben, geben hier umgekehrt die Ausstellungen das Langzeitprojekt nur ausschnitthaft wieder. Die vollständige Serie findet den angemessenen Platz lediglich im Bildband. Teilweise geht sogar der Veröffentlichung im Ausstellungskontext ein solcher Band voraus. Das Blättern dauert, gemessen an der Zeit, die das Sammeln beansprucht hatte, zwar nur einen Augenblick, es bietet dem Sujet jedoch die gebührende Intimität, zumal die Bilderfolge mit der chronologischen Entwicklung des Sujets – dem Altern der Porträtierten – korrespondiert. Vermehrt lichten die Fotografen zudem Familie und Freunde ab – denn Familienmitglieder sind meist allzeit verfügbar, während andere Modelle eine feste Verabredung voraussetzen. Damit drängt sich auch die Frage auf, inwiefern sich diese Bände von Familienalben unterscheiden.
Den Betrachter verbinden keine Erinnerungen mit dem Porträtierten: Er sucht innerhalb der Reihe nach Veränderungen oder nach dem Gleichbleibenden im Wandel und entwickelt – ausgehend von den einzelnen Momentaufnahmen, der implizierten Zeit und der eigenen Lebenserfahrung – eine dazwischenliegende Erzählung.
Betreuende:
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Prof. Heiner Blum
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Prof. Dr. Christian Janecke
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Prof. Klaus Hesse