Nina Wood

Autotheorie. Schreiben aus Bruchstücken als queer_feministische Praxis

Fachbereich Kunst

​Das Dissertationsprojekt verfolgt eine interdisziplinär zwischen Literaturwissenschaft, Gesellschaftstheorie und philosophischer Ästhetik angesiedelte Fragestellung, die sich auf folgende drei Autotheorien bezieht: erstens »Testo Junkie« von Paul B. Preciado, zweitens »Die Argonauten« von Maggie Nelson und drittens »Borderlands/La Frontera: The New Mestiza« von Gloria Anzaldúa. In Bezug auf die autotheoretischen Ansätze soll gezeigt werden, inwieweit es diesen weder nur um eine neue Form der autobiografischen Narration des Ichs und seiner Erfahrungswelten noch um eine literarisch vorgetragene, aber letztlich soziologisch erschlossene Milieustudie geht. Deutlich wird dies vor allem anhand der Versuche der Autor_innen, in ihren literarischen Selbstverständigungen die bruchstückhafte und offene Textform mit der Unbestimmtheit und Offenheit ihrer Identität kurzzuschließen; das „Schreiben aus Brüchen“, wie es dieses Projekt zu fassen versucht. Alle drei Autor_innen setzen die autotheoretische Darstellungsform und ein Schreiben aus Brüchen in einer solchen Weise ein, dass dadurch der Zugang zu einer subjektiven Erfahrung bzw. (Geschlechter-)Identität nicht einfach gegeben, sondern bruchstückhaft, instabil oder ambivalent erscheint. Ziel des Dissertationsvorhabens ist es zu klären, wie die literarische Sprache als bezüglich aller Identifikationsprozesse kritische Ressource eingesetzt werden kann - ‚mit einer Lust ihrer eigenen Überschreitung' (Roland Barthes).

​Künstlerisches Projekt:
​Ausgehend davon, dass Autotheorien durch das Schreiben aus Brüchen eine andere Form des Erzählens hervorbringen, sollen im praktischen Teil damit verbundene rezeptionsästhetische Dimensionen mit materialästhetischen Eigenschaften von Buchkörpern vermessen werden. Denn das autotheoretische Verfahren hebt durch unterschiedliche Modi der Montage (Arrangement von Zitationen, Kommentaren in Marginalspalten, Weißräumen im Textabsatz) Zäsuren hervor, die Bruchstücke aus Selbsterfahrung und Theorie und ein Verständnis derselben entschieden voneinander abgrenzen. Gleichzeitig geben sich die Brüche auch dort zu erkennen, wo sie mit einer der autotheoretischen Erzählung inhärenten Lese- bzw. Sehgewohnheit brechen und es so vermögen, die Reflexion auf den aktiven Vollzug des Schreibens bzw. die Wahrnehmung der Rezeption zu richten. Unter Rückgriff auf die Zeitlichkeit der Erzählung und die Räumlichkeit der visuellen Darstellung sollen folgende Fragen beantwortet werden: Wie verhält sich die Materialität der Seite zur Materialität des Buchkörpers? In welcher Weise kann die Dreidimensionalität des Buchkörpers rezeptionsästhetische Effekte hervorbringen? Was wäre ein (Buch-)Körper, der seine Form nicht durch fest zugewiesene Strukturen organisierte, sondern einer, der allen erlaubte, ihn verschieden zu durchque(e)ren?

Betreuer_innen:
Prof. Dr. Juliane Rebentisch 
Prof. Dr. Heinz Drügh
Prof. Heiner Blum 

Das Dissertationsprojekt wird vom Evangelischen Studienwerk e.V. gefördert. 

  • Woodi

    TESTO JUNKIE

    Paul B. Preciado
    ​b_books, 2016

  • Woodiii

    Borderlands/ La Frontera: The new mestiza

    Gloria Anzaldúa
    ​Aunt Lute Books, 2012

  • Woodii

    Die Argonauten

    Maggie Nelson
    ​Hanser Berlin, 2017

TESTO JUNKIE

Paul B. Preciado
​b_books, 2016

Vita

Nina Wood ist Doktorandin an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Sie absolvierte ein Bachelorstudium in Integriertem Design an der Hochschule für Künste Bremen und ein Diplom in Kunst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Ihre Arbeiten waren u.a. in folgenden Ausstellungen zu sehen: »als wäre ich du« (2023) im basis Projektraum Frankfurt, »Aus heutiger Sicht. Diskurse über Zukunft« (2021) im Museum Angewandte Kunst Frankfurt, »Aus unserer Werbung« (2019) in der HfG Kunsthalle Offenbach. Für die Poetikdozentur der Goethe-Universität Frankfurt kuratierte sie mit der studentischen Initiative Poetik die Ausstellung »Reality Checkpoint. Clemens J. Setz gelesen« (2023) im Schopenhauer-Studio der Universitätsbibliothek.

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Foto: Alexander Paul Englert

Projekte

Erzählform. Unerkennbarkeit. Seele

Der Buchkörper »Erzählform. Unerkennbarkeit. Seele« vereint eine gebundene typografische Komposition mit einem poetischen Zusammenhang aus Stimmen, Satzbildern und an Menschen geknüpfte Erzählungen. Besiebdrucktes Altpapier erfährt dabei eine formale Metamorphose, ohne dass dem Heft dabei nur eine fest zugewiesene Position zugeteilt werden muss. Durch diverse Zusammen- und Auffaltungen verwandeln sich die planen Flächen in skulptural anmutende Falt-Gebilde und lassen, derart variabel aufstellbar, ein exponiertes Licht- und Schattenspiel zu.

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    Foto: Nina Wood

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Foto: Nina Wood

The Recollection

Die Arbeit »The Recollection« liefert eine gedanklich zu erweiternde Sammlung von Satzbildern, die in räumlichen Anordnungen sichtbar werden. Abgerissene Sprachebenen, Stimmen und Wörter erscheinen kompositorisch so, dass der Aufbau der weißen Seiten analog mit Rückzügen des Erinnerns korrespondieren kann. So findet sich der dialogische Textrhythmus der Innerlichkeit seinem Inhalt nicht entgegengesetzt, ruft ihn vielmehr stetig aus einem unabgeschlossenen Raum neu hervor. Alle Schnipsel bewegen sich im Gedächtnis und vermitteln den Bewusstseinszustand einer agierenden und reagierenden Beziehung zwischen lauter stillen Übergängen. Etwas fängt immer an und hört immer auf. Alle Zustände und Perspektiven passen zusammen und geraten doch in Widerspruch mit der Endlichkeit der Zeit.

Erinnere dich.

Das Licht hat sich gedreht und geht weiter;

das Feld ist grün, tauche ein.

Heiße Asche für Bäume.

Sich erreichen lassen.

Mit weit ausgestreckten Armen.

Alles war und ist auch dort.

Keine Bewegung je umsonst verändert.

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    Foto: Nina Wood

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