Nina Wood
Autotheorie. Schreiben aus Bruchstücken als queeres Erzählverfahren
Fachbereich Kunst
Das Dissertationsprojekt verknüpft Literaturwissenschaft, philosophische Ästhetik und poststrukturalistische Gesellschaftstheorie und untersucht ausgewählte Autotheorien. Als Subgenre der Autofiktion verbinden diese Texte persönliche Erfahrungen mit theoretischen Reflexionen und verhandeln das Spannungsverhältnis zwischen subjektivem Transformations- und Beharrungsbegehren einerseits sowie gesellschaftstheoretischen Möglichkeiten andererseits. Dies geschieht nicht nur inhaltlich, sondern auch formalästhetisch, durch das »Schreiben aus Bruchstücken« – ein Verfahren, das Brüche, Trennungen und Kollisionspunkte zwischen »Auto« und »Theorie« integriert, sodass die paradoxen Beziehungsweisen von Besonderem und Allgemeinem ästhetisch erfahrbar werden können.
Exemplarisch zeigt sich dies in den Arbeiten von Paul B. Preciado und Maggie Nelson: Während Preciado in »Testo Junkie« (2013) seine eigene Transition als einen Prozess reflektiert, der untrennbar mit Verlust, Trauer und Tod verbunden ist, fokussiert Nelson in »The Argonauts« (2015) die nonbinäre Schwangerschaft als Neuanfang und die Möglichkeit eines »Giving Birth to Oneself«. Beide Texte – so eine weitere These – verdeutlichen, dass Anfangen und Loslassen, Bindung und Trennung nicht nur im Allgemeinen miteinander verknüpft sind. Sie sind besonders in queeren Einsätzen, die eine nonbinäre Transition kontinuierlich halten wollen, notwendig für eine offene Setzung jenseits der heteronormativen, zweigeschlechtlichen Matrix.
Künstlerisches Projekt
Ausgehend von der These, dass queere Autotheorien eine andere Erzählstruktur erfordern, widmet sich der praktische Teil der Dissertation der materiellen Dimension von Buchgestaltung: Warum ist ein Buchkörper »von Gewicht«? Wie kann dieser die sozialen und gestalterischen Akte seiner Entstehung sichtbar machen? Und welche spezielle Buchbindung benötigt ein autotheoretisches Buch? Das Ziel des künstlerischen Projekts ist es, einen autotheoretischen (Buch-)Körper zu entwickeln – einen, der sich nicht durch eine feste, geschlossene Struktur definiert, sondern durch eine offene, die es allen ermöglicht, ihn auf unterschiedliche Weise zu durchque(e)ren.
Betreuer_innen
Prof. Dr. Juliane Rebentisch (HfBK Hamburg)
Prof. Dr. Heinz Drügh (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Prof. Heiner Blum (HfG Offenbach)
Vita
Nina Wood ist Doktorandin an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Sie absolvierte ein Bachelorstudium in Integriertem Design an der Hochschule für Künste Bremen und ein Diplom in Kunst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Ihre Arbeiten waren u.a. in folgenden Ausstellungen zu sehen: »als wäre ich du« (2023) im basis Projektraum Frankfurt, »Aus heutiger Sicht. Diskurse über Zukunft« (2021) im Museum Angewandte Kunst Frankfurt, »Aus unserer Werbung« (2019) in der HfG Kunsthalle Offenbach. Für die Poetikdozentur der Goethe-Universität Frankfurt kuratierte sie mit der studentischen Initiative Poetik die Ausstellung »Reality Checkpoint. Clemens J. Setz gelesen« (2023) im Schopenhauer-Studio der Universitätsbibliothek.

Foto: Alexander Paul Englert
Projekte
Erzählform. Unerkennbarkeit. Seele
Der Buchkörper »Erzählform. Unerkennbarkeit. Seele« vereint eine gebundene typografische Komposition mit einem poetischen Zusammenhang aus Stimmen, Satzbildern und an Menschen geknüpfte Erzählungen. Besiebdrucktes Altpapier erfährt dabei eine formale Metamorphose, ohne dass dem Heft dabei nur eine fest zugewiesene Position zugeteilt werden muss. Durch diverse Zusammen- und Auffaltungen verwandeln sich die planen Flächen in skulptural anmutende Falt-Gebilde und lassen, derart variabel aufstellbar, ein exponiertes Licht- und Schattenspiel zu.
The Recollection
Die Arbeit »The Recollection« liefert eine gedanklich zu erweiternde Sammlung von Satzbildern, die in räumlichen Anordnungen sichtbar werden. Abgerissene Sprachebenen, Stimmen und Wörter erscheinen kompositorisch so, dass der Aufbau der weißen Seiten analog mit Rückzügen des Erinnerns korrespondieren kann. So findet sich der dialogische Textrhythmus der Innerlichkeit seinem Inhalt nicht entgegengesetzt, ruft ihn vielmehr stetig aus einem unabgeschlossenen Raum neu hervor. Alle Schnipsel bewegen sich im Gedächtnis und vermitteln den Bewusstseinszustand einer agierenden und reagierenden Beziehung zwischen lauter stillen Übergängen. Etwas fängt immer an und hört immer auf. Alle Zustände und Perspektiven passen zusammen und geraten doch in Widerspruch mit der Endlichkeit der Zeit.
Erinnere dich.
Das Licht hat sich gedreht und geht weiter;
das Feld ist grün, tauche ein.
Heiße Asche für Bäume.
Sich erreichen lassen.
Mit weit ausgestreckten Armen.
Alles war und ist auch dort.
Keine Bewegung je umsonst verändert.