Pia Scharf

Lernende Systeme und das User Interface

Fachbereich Design

Das User Interface ist in einem dramatischen Wandel begriffen. Im Zeichen von Industrie 4.0 und unter dem Einfluss einer universalen Vernetzung digitaler Gerätschaften verändert sich die Zugangsweise, in welcher der Gestalter Einfluss auf die Ansteuerung technischer Funktionen im technoiden Gegenüber nimmt.

Das klassische Interface, das Peter Sloterdijk zuletzt einmal als "Make-Up“ der Maschinen verstand – Make Up deshalb, weil überkomplexe Funktionen reduziert werden solange, bis dem Nutzer wiederum eigene Souveränität suggeriert werden kann (Peter Sloterdijk, Der Welt über die Straße helfen) – steht in der Diskussion. Denn in der Zwischenzeit ist die technische Entwicklung auch schon wieder über den Punkt hinaus gelangt, an dem überhaupt noch Eingaben von Seiten des Nutzers nötig sind, wie sehr sich diese auch einer raffinierten Vereinfachung verdanken. Interfaces fungieren ab diesem Punkt nicht mehr als Eingabemaske, mit deren Hilfe Eingaben Zeile um Zeile, Geste um Geste, Eingabe um Eingabe gemacht werden. Klassische Interfaces weichen neuen Fähigkeiten technoider Gegenüber die geeignet sind, um Eingaben vorwegzunehmen, automatische Handlungsketten in Gang zu setzen und Entscheidungen der Nutzer zu antizipieren. Mittels künstlich-intelligentem Lernverhalten (Stichwort: Deep Learning) werden so (Entscheidungs-)Strukturen ausgebildet, welche wesentliche Veränderungen für das Interface-Design mit sich bringen.Die neue Gestaltungsaufgabe liegt mit dem autonom agierenden Gegenüber weniger in der Ausgestaltung des Interface als Schnittstelle des Ping-Pong-Spiels von Eingabe des Nutzers, Verarbeitung durch das Gerät und anschließende Anzeige auf dessen Oberfläche. Vielmehr gilt es, Charakteristika zu entwerfen, durch welche sich das technoide Gegenüber im Gebrauch - also im Zusammenspiel mit dem Nutzer – offenbart. Denn wenn das lernende System fortlaufend prozessiert, lässt sich das Interface künftig nicht mehr sequentiell konzipieren. Dort, wo im klassische Interface-Design eine Unterscheidung von Anzeige und Steuerung aus dem Wechselspiel mit dem Nutzer resultiert, verhalten sich Nutzer und technoides Gegenüber künftig grundsätzlich simultan, sogar in einer Letztversion synchron, d.h. autonom agierend und doch perfekt aufeinander abgestimmt – für den Fall, dass wir eine Bestform eines ‚tieferen Lernens’ für absehbar halten. Für das Interface folgt daraus: es ist dann kein Nadelöhr mehr, durch das die Kommunikation von der Bits&Bytes-Welt in die Kohlenstoffwelt (und zurück) übersetzt wird. Die Prozesse, die im technoiden Gegenüber permanent fortlaufen, ebenso wie der Nutzer seine Lebenswelt kontinuierlich erfährt, lassen den Interfaces künftig eine völlig neue Rolle zukommen. Diese dienen dann weniger dem Austausch von Informationen als der Möglichkeit zum sensiblen Abgleich der Prozessketten. Vorstellbar analog zur 'prästabilierten Harmonie' von Gottfried Wilhelm Leibniz, bei der „[d]ie Seele ihren eigenen Gesetzen [folgt], wie der Körper den seinen;" (Gottfried W. Leibniz, Monadologie) – sind zwei grundlegend verschiedene Einheiten dann so aufeinander abgestimmt, dass sie wie in der absoluten Metapher des Uhrwerks ineinander greifen. Benutzer und technoides Gegenüber durchdringen sich dann nicht, sondern befinden sich in einer Situation, in der sie gleichwertig nebeneinander stehen: „Schulter an Schulter“ lautet nicht umsonst die Maxime für eine Industriekultur 4.0.

Betreuende:

Prof. Dr. Martin Gessmann

Prof. Dr. Klaus Klemp

Prof. Frank G. Zebner
www.pia-scharf.de

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