Rike Zöllner
Zeitgenössische Kostümdramaturgien: zwischen Bild und Ereignis
Fachbereich Kunst
Abstract
Kostüme sind mal mehr, mal weniger wahrnehmbar, stets dem Körper verbunden. So prägen sie unseren ersten Eindruck einer Inszenierung, und trotz dieser Zentralstellung erhalten Bühnenkostüme nur wenig kritische Beachtung, sei es im Produktionsprozess oder in der Rezeption. Oft werden sie in handwerklichen oder historischen Kontexten beleuchtet, oder, laut Rachel Hann, als „symptom of bodily representation“ reduziert. Doch immer mehr zeitgenössische Wissenschaftler:innen, so z.B. Aoife Monks, Donatella Barbieri oder Christina Lindgren beschäftigen sich mit Kostümen als interdisziplinarem Wisschenschaftsgegenstand der Materialität und Körperlichkeit verbindet, und begleiten damit ein wachsendes Interesse an Kostüm als Disziplin, die ihre Nähe zu Szenografie, Kleidung aber auch zur Mode neu verhandelt.
In diesem Kontext entstehen seit einiger Zeit immer wieder Performances in denen das Kostüm als Ausgangspunkt und Kernelement behandelt wird. Solche sog. costume-led performances lassen Kostüme über die bildlichen, schmückenden und verkleidenden Funktionen heraustreten, theatrale Figuren werden als Maskerade bespielt, Körper und/oder Identitäten bleiben sichtbar, unverkleidet, und werden von Kostümen provoziert. So wird Kostüm zu einem eigenständigen Performanceelement, das etablierte Hierarchien zwischen Kleid, Körper, Raum und Zeit (u.a.) immer wieder neu auslotet und in Frage stellen kann. Dem Modekörper nicht unähnlich, tritt Kostüm als Phänomen auf, das aus im theatralen Kontext materiell und konzeptuell aktivierten Kostümobjekten entsteht. Dieses Kostüm schafft Ereignisse statt Bilder, es rückt Prozesse in den Vordergrund und birgt so eine Vielzahl an Interaktionsmöglichkeiten. Die Anbindung an den Körper wird verhandelt und wirft Fragen zu Identität, Körperbildern und Rollengefügen auf, die wiederum weitreichende soziale als auch politische Bedeutung annehmen können. Künstler:innen wie z.B. Lia Rodrigues oder Trajal Harrel ziehen in ihren Arbeiten aus einzelnen Kostümereignissen dramaturgische Impulse, und setzen diese in einen politischen Kontext.
Die theoretische Erarbeitung der Thematik ist bisher minimal und wird in den wenigen Analysen hauptsächlich als Eigenart der Tanzwissenschaften verstanden. Als Teil meiner Arbeit möchte ich die komplexe Beziehung zwischen Bild und Kostüm beleuchten und dabei auch historische Aspekte hervorheben, die dazu geführt haben dass Kostüm sich immer mehr zu emanzipieren sucht. Gleichzeitig rückt seine Bildermacht und sein Selbstverständnis als kleidend in den Hintergrund. Im Fokus meiner Analyse werden westlich geprägte Darstellungsformen liegen, aber auch solche kulturellen Phänomene die diesen zugrunde liegen.
Innerhalb meiner theoretischen als auch praktischen Forschung möchte ich gezielt untersuchen, welche Möglichkeiten Kostüme haben, eigenständige Dramaturgien zu schaffen und wie sich diese zeitgenössischen Kostümdramaturgien bewerten lassen. Wie können Kostüme nicht nur auf visueller Ebene kommunizieren, sondern als bespielte, interaktive Elemente ihre multi-sensorische und multidimensionale Kraft dramaturgisch nutzen? Teil meiner Recherche soll die Fragestellung sein, inwieweit eine vom Kostüm ausgehende Dramaturgie nicht nur aus postdramaturgischer Sicht interessant ist, sondern auch narrativ wirksam sein kann. Praktisch werde ich untersuchen, inwieweit Kostümdramaturgien auch mit der treibenden Kraft von Text ko-existieren können und costume-led performances sich so der Herausforderung stellen, mehr als nur die Funktionen von Kostüm zu inszenieren. Die Anbindung an den Körper ist nicht Schwäche, sondern Potenzial des Kostüms, denn sie erlaubt dahingehende interdisziplinäre Bezüge deren Betrachtung ich als für das Kostüm bereichernd in meine Arbeit einbetten möchte.
Betreuung Theorie: Prof. Dr. Christian Janecke
Betreuung Praxis: Prof. Heike Schuppelius
Vita
Rike Zöllner arbeitet seit über zehn Jahren als freischaffende Kostümbildnerin in den Bereichen Tanz, Performance und Oper europaweit. Sie hat in Großbritannien Kostümbild (MA) studiert, sowie in Frankreich Literatur- und Theaterwissenschaften (BA). 2019 erhielt sie den Honorary Associate Titel des Royal Welsh College Of Music And Drama. Vergangene Projekte u.a. am Royal Opera House London, Malmö Opera sowie mit Tanztheater Wuppertal Pina Bausch. Seit Oktober 2022 arbeitet Rike Zöllner als Wissenschaftliche Mitarbeit im Fachbereich Kunstgeschichte.
Out of the spotlight: seven of dance's hottest hidden talents
Projekte
Auswahl
New Piece I / Seit Sie Dimitris Papaioannou for Tanztheater Wuppertal Pina Bausch (Mitarbeit, mit Thanos Papastergiou)
The Lost Thing Ben Wright, Royal Opera House and Candoco Dance Company
Hot Mess Theo Clinkard, Candoco Dance Company
Ludo Caroline Finn, NDCWales
Sarabande Sasha Amaya, Sophiensaele Berlin
Sick Bed Series Zinzi Buchanan, Fayer Koch, LOFFT Leipzig
This Bright Field Theo Clinkard, Brighton Dome Brighton Festival
Belonging by Ben Wright, Skanes Dansteater at Malmö Opera House
Ritualia Colette Sadler, Scottish Dance Theatre
Wild Thoughts, Andrea Costanzo Martini, NDCWales
Across The Souvenirs Alesandra Seutin, Dance Umbrella London
Neue Stücke 2015 by Tim Etchells, Theo Clinkard and Francois Chaignaud & Cecilia Bengolea, Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Furl Eleesha Drennan, National Youth Dance Wales
Tablemanners Tony Adigun, AvantGarde Dance
Alice In Wonderland Corinna Jarosch, Operahouse Wuppertal