Moving Boxes
Ein Projekt von Heiner Blum und Jakob Sturm mit Gästen in Zusammenarbeit mit Lotte Dinse und Selina Hammer in Koproduktion mit »Diamant / Museum Of Urban Culture« und »Orte möglichen Wohnens«
Die historische Villa, in der sich der Nassauische Kunstverein Wiesbaden befindet, wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Mietshaus mit Wohnungen konzipiert. In Auseinandersetzung mit der ursprünglichen Funktion und Bedeutung des Gebäudes realisiert der Kunstverein im Rahmen des Kooperationsprojekts Interior ein partizipatives Ausstellungsprojekt, das sich mit dem Thema Wohnen auseinandersetzt. Mit Moving Boxes verwandeln sich die Räumlichkeiten in eine lebendige Bühne für Wohnexperimente, Alltag, Austausch und Begegnungen. Es geht darum, das kommunikative und soziale Potential des Ortes gemeinsam mit eingeladenen Künstler:innen, dem Publikum und verschiedenen Akteuer_innen zu befragen.
Im Laufe unseres Lebens wechseln wir vielfach die Orte, an denen wir wohnen. Nicht nur Möbel werden bewegt, sondern auch die vielen kleinen und großen Dinge, mit denen wir uns umgeben. Sorgfältig in Umzugskartons verpackt, wechseln auch sie den Ort, um an neuer Stelle wieder aktiviert zu werden. Umzugskartons sind wesentlicher Teil der Umzugsmasse und Transferbehälter für die Dinge, die unsere Biografien begleiten.
Das Projekt Moving Boxes gibt den Kartons eine Bühne. Sie verkörpern zeichenhaft und real die Mobilität der Menschen unserer Zeit. Wie wäre es, wenn sie nicht nur alsTransportmittel für die Dinge, sondern auch in unterschiedlichen Formaten selbst als Raum genutzt würden? In Zeiten steigender Wohnungspreise eröffnen Kartons spannende Möglichkeiten, Wohnraum neu zu denken. Wie wäre es, allein, mit Freunden oder Fremden in einem Karton zu leben, zu arbeiten, zu feiern, zu verweilen und zu träumen? Diese Fragestellungen werden mit Moving Boxes modellhaft untersucht.
Viele Menschen teilen die Kindheitserinnerung, als bei der Lieferung eines großen Haushaltsgeräts plötzlich ein in kindlichen Maßstäben überlebensgroßer Karton im Raum oder an der Straße stand, der als temporäre Bleibe, als Spielort, Versteck und Raum für unbegrenzte Möglichkeiten genutzt werden konnte. An den großen, aber begrenzten, den Körper umgebenden Raum knüpfte sich ein Gefühl der Freiheit und Selbstermächtigung, das mit Moving Boxes aktiviert werden soll.
Für Moving Boxes entstehen mit einem überdimensionalen, eigens dafür konzipierten, vielteiligen Karton-System auf den Etagen des Nassauischen Kunstvereins variantenreiche Raum-im-Raum Situationen als offenes Angebot für die Gäste, sich der Kartons zu bemächtigen und für vielfältige Zwecke umzugestalten. Über mehrere Wochen verwandelt sich der Kunstverein in immer neue Szenarien der Raumaneignung und Umnutzung.
Was zur Eröffnung aussieht wie ein unberührbares Minimal Art Arrangement, denken wir an Raum 19 von Imi Knoebel, Pappskulpturen von Charlotte Posenenske oder serielle Kubus Anordnungen von Donald Judd, wandelt sich in eine offene, anarchische Szenerie, in der aus Betrachter:innen Nutzer_innen, Gestalter_innen und Bewohner_innen werden.
Die Moving Boxes ergänzen und unterwandern den White Cube des Kunstvereins und bilden eine gestaltungsoffene Substruktur. Wie an einem Strand werden an einem Tag Strukturen gebaut und ausgetestet, am nächsten Tag ist alles wieder offen. Von Woche zu Woche bringen Gast-Künstler:innen, regionale Initiativen, Vereine, kreative Gruppen und Einzelpersonen generations- und kulturübergreifend immer neue thematische Impulse in das Projekt ein.
Inmitten des stetigen Wandels gibt es aktive Fixpunkte, die den Prozess begleiten:
Die Kiosk-Box versorgt die Gäste mit Getränken und Snacks und hält Werkzeug und Material bereit. Über die Gesamtdauer des Projekts sind Besucher:innen eingeladen, vorbereitete Demoschilder mit ihren Gedanken und Forderungen zum Thema Wohnen eigenhändig zu beschriften. Die Wallpaper-Gallery bietet in Form von tapezierten Postern historische, soziokulturelle und künstlerische Perspektiven zum Thema Wohnen und Urbanität.
Moving Boxes bietet als ein sich ständig verändernder, offener Möglichkeitsraum Platz für Ruhe und Aktivität, für Lectures, Gespräche, Performance, Club- und Kinoabende und alles, was noch nicht erfunden ist.
Moving Boxes ist Teil des multiinstitutionellen Kooperationsprojekts Interior, anlässlich dessen sechs verschiedene Kultureinrichtungen im Rhein-Main-Gebiet ihre Geschichte als ehemalige Wohngebäude reflektieren.
- Heiner Blum (HfG-Professor für Experimentelle Raumkonzepte) arbeitet als Künstler in White Cube Kontexten wie auch in sozio-kulturellen Zusammenhängen.
- Jakob Sturm beschäftigt sich als Künstler, Autor und Kurator mit der Produktion von Räumen.
- Lotte Dinse ist Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin für zeitgenössische Kunst und ist seit Juli 2024 Direktorin des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden.
- Selina Hammer ist Künstlerin und leitete 2023 das Festival Ensemble, das Kunst und Musik miteinander verknüpft.
Eröffnung
28. November 2024, 18 Uhr
Öffnungszeiten
Do, Fr, Sa 16–21, So 15–20 Uhr
Nassauischer Kunstverein Wiesbaden
Wilhelmstraße 15 / 65185 Wiesbaden