Nicholas Warburg: Aktenzeichen XY unerlöst

Ausstellung von HfG-Promovend Nicholas Warburg
Die ZDF-Serie Aktenzeichen XY ungelöst ist das älteste True-Crime-Fernsehformat weltweit. Seit der Erstausstrahlung 1967 wurden über fünftausend Fälle behandelt, fast jeder dritte ein Mord. Zu Hochzeiten in der alten Bundesrepublik schaute mehr als die Hälfte der Bevölkerung zu. Sie war aufgefordert, die Polizei bei stockenden Ermittlungen zu unterstützen, was häufig zur Aufklärung führte. Aber die Fahndungserfolge waren nicht der einzige Effekt der Sendung. Die Täter wurden mitunter rassistisch gezeichnet, ansonsten erschienen sie biographielos, von Außen kommend, böse. Deutsches Denunziantentum blühte wieder auf und ein aggressives Misstrauen in der Gesellschaft wurde befördert: das Böse lauert immer und überall. So mischte sich schaurig-schöne German Angstlust im Dunkel flackernder Wohnzimmer mit schwelendem Ressentiment und der entlastenden Identifikation mit den Opfern – war man selbst doch noch einige Jahre zuvor millionenfach zum Täter geworden.
In Nicholas Warburgs erster Einzelausstellung in der Galerie Judith Andreae wird Aktenzeichen XY ungelöst zu Aktenzeichen XY unERlöst. Nicht nur scheint die Aufarbeitung in Deutschland heute praktisch gescheitert, der Spuk ist zurück. Aus den Wörtern »spuken«, im Englischen »to haunt« und »Ontologie«, der Lehre vom Sein, setzte der französische Philosoph Jacques Derrida Anfang der 90er den Begriff »Hauntology« zusammen. Er beschreibt das Phänomen, sich von historischen Möglichkeiten, die nicht eingetreten sind, wie von Geistern heimgesucht zu fühlen. Bei Warburg erscheint das »Tausendjährige Reich« als solch eine Nostalgie für verlorene Zukünfte.
Nicholas Warburg (*1992, Frankfurt am Main) erforscht in seiner Kunst die Ambivalenzen deutscher Geschichte und Kunstgeschichte. Er studierte am California Institute of the Arts und an der Städelschule Frankfurt (Meisterschüler von Tobias Rehberger). Seine Arbeiten wurden im Kunstpalast Düsseldorf, Kunstmuseum Marburg, Neuen Aachener Kunstverein und Kunstraum Potsdam gezeigt. Für sein Schaffen wurde er mit renommierten Stipendien und Preisen ausgezeichnet. Er lehrt an der Universität der Künste Berlin.
Eröffnung
27. März 2025, 18–21 Uhr
Galerie Judith Andreae
Paul-Kemp-Straße 7
53173 Bonn