Vertretungsprofessur für Zeichnen und Illustration

19 years ago
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Seit dem nun begonnenen Sommersemester 2006 übernimmt Tobias Gerber die Vertretungsprofessur für Zeichnen und Illustration.

„Als ich im Juni 2004 erstmalig die Hochschule für Gestaltung in Offenbach besuchte, um meine Bewerbung in einem Vortrag zu vertreten, sprach mich im Foyer ein Mitarbeiter des Hausdienstes an. Man muss vorausschicken, dass ich mich für den Termin sorgfältig eingekleidet hatte, weder zu elegant, noch zu bieder. Ich trug, was mir in Belastungssituationen inneres Gleichgewicht verleiht: karierte Hose, kariertes Hemd, selbst der Gürtel war kariert, keine Krawatte. Kurzum, ich hatte mich kreativ angezogen.
Die Frage des Mitarbeiters nun lautete, ob ich der erwartete Herr vom TüV Rheinland sei. Mein Kleidungskonzept schien nicht aufgegangen zu sein, aber Rheinland stimmte immerhin, denn dort bin ich geboren (1963, Düsseldorf) und lebe ich, seit 1969 in Köln.

In einer künstlerisch geprägten Familie aufgewachsen, bedeutete Emanzipation für mich, keinesfalls Kunst zu studieren, was zu der kuriosen Situation führt, dass in den kommenden beiden Semestern ein Autodidakt die Studierenden in den Fächern Zeichnen und Illustration unterrichten wird. Seit meiner Kindheit (wie Sie alle) zeichne ich. Seit etwa 1983 male ich, experimentiere mit bildhauerischen Techniken, und zeichne. Seit dieser Zeit bezeichne ich mich in stillen Momenten als Künstler.
1984 findet meine erste Ausstellung in der Galerie Tanja Grunert statt. Die neben zahlreichen anderen Künstlern ebenfalls beteiligten Michael Buthe, Sigmar Polke und C.O.Päffgen sind mir noch gänzlich unbekannt. In den Jahren 1985 bis 1991 male und zeichne ich ohne Öffentlichkeit weiter. Eine kurzzeitige Assistenz beim Kölner Restaurator Michael Trier (Fassung von Skulpturen von Jeff Koons) 1991 verhilft mir zu einem längeren Japanaufenthalt (1992-93), wo ich mit weiteren Assistenten für den holländischen Künstler Rob Scholte einen Kuppelbau in einem holländischen Themenpark ausmale. Seither verdiene ich mein Geld ausschließlich mit Kunst.

Meine erste wichtigere Einzelausstellung findet 1995 in der Kölner Galerie Schipper und Krome statt. Es folgen zahlreiche weitere Ausstellungen, von denen die Einzelausstellungen bei Thomas Barry in Minneapolis im Jahr 1996 und jene im Bonner Kunstverein im Jahr 2000 hervorzuheben sind. 1998 erhalte ich den Villa-Romana-Preis, im gleichen Jahr die Förderung durch Kunstfonds, im Jahr 2000 ein Arbeitstipendium in Etaneno, Namibia.

Selbst dieser zugegebenermaßen stark vereinfachte Lebenslauf erscheint mir ziemlich mäandrierend. Müsste ich ein schlüssiges Bild für meine Entwicklung bis dato finden, wählte ich nichtsdestotrotz das eines Wasserskifahrers mit Brautschleppe. Als Wasserskifahrer steht es mir frei, am Ende der Leine die kuriosesten Figuren zu vollführen. Während ich dies selbstbestimmt tue, zieht das Boot seine Bahn. Geschwindigkeit und Richtung vorgebend, donnert es unbeirrt weiter, mit mir hinten dran. Der Brautschleier, den ich als Wasserski-
fahrer unpassenderweise trage, geht übrigens zurück auf ein Bild des Schriftstellers Thomas Bernhard. Bernhard beschrieb damit den Tod, den wir wie eine Schleppe hinter uns herzögen, unabhängig von unserem Stand und Lebensalter.

Der Wasserskifahrer befindet sich also perfekt zentriert zwischen allgemeinem, ungewissen und eigenem, sicheren Schicksal. Dieser Zwischenraum ist kein deterministisches Gefängnis, sondern Freiraum, den der Wasserskifahrer mit den eigentümlichsten Schilderungen anfüllen kann. Begreifen wir Wasserskifahrer und Brautschleppe aber weniger morbide, dann entsteht ein recht banales existentielles Modell. Das Boot ist die Zeit, der Wasserskifahrer der Mensch, die Brautschleppe die sichere Bestimmung. Es drückt nichts anderes aus, als dass wir im Rahmen vorgefundener Bedingungen die Freiheit haben, für ein erfinderisches Dekorum zu sorgen, die zurückzulegende Strecke zu kommentieren und aufs Schönste auszuschmücken. Dieses Modell lässt sich für mich vollständig auf die Situation der Lehre an einer Hochschule übertragen, wobei die Rollen von Boot und Wasserskifahrer für Lehrer und Studierenden nicht festliegen, sondern jederzeit getauscht werden können. Einfacher ausgedrückt: Es gibt Vorgaben, Ziele, Zeitrahmen, Menschenschicksale, und mal ziehe ich Sie, mal Sie mich.“

Prof. Tobias Gerber
[www.g-e-r-b-e-r.com]

pm, 19.04.2006