16 Dezember 2019

Blockseminar: Ich frag, ich frag, was du nicht fragst!

Plakat talk talk3fin

Grund- und Hauptstudium Module 305 + 556 BLOCK-SEMINAR

1. Termin: 16.12.2019, 10–18 Uhr, Raum 305

Talk Talk. Das Interview als ästhetische Praxis. Meta-Historische Analyse 

2. Termin: 13.01.2020, 10–20 Uhr, Raum 305

Befragungsszenarien, Selbstdarstellung und Geschlechteridentitäten in der künstlerischen Praxis von Videointerviews. 

​Seminar von Mag.a phil. Antonia Rahofer, Prof. Dr. Marc Ries

Inhalt

Wir leben in einer Kultur des permanenten Geredes, der allgegenwärtigen Investigation und Kontrolle, des öffentlichen Geständnisses und der Selbstinszenierung. Im Zentrum dieses Spektakels der systematischen Befragung und Mitteilung steckt letzten Endes eine der ältesten Kulturtechniken: das Interview. Und diese empirische Sozialtechnik wird erstaunlicherweise ab den 1970er Jahren zu einem konstitutiven Element der Gegenwartskunst.

Der 1. Teil des Blockseminars macht die im Sommer vor 10 Jahren in Leipzig eröffnete, von Marc Ries konzipierte und co-kuratierte Ausstellung »Talk Talk«. Das Interview als ästhetische Praxis zum Gegenstand einer meta-historischen Analyse des Interviews inmitten seiner Anwendungen, Appropriationen, Transformationen in der bildenden Kunst. Die »ästhetische Praxis« des Interviews reklamiert, so die These, die gesellschaftlichen Grenzen zwischen Verhör, Zeugenschaft, Geständnis, Outing, Dialog, Erkenntnis und Verstehen auszuloten.

Die Ausstellung, die gleichfalls im Kunstverein Medienturm Graz und in der Galerie 5020 in Salzburg gezeigt wurde, versammelte Arbeiten etwa von Ursula Biemann (CH), Sabine Bitter, Helmut Weber (A/CAN), Yvon Chabrowsky (D), Dellbrügge & de Moll (D), Jeanne Faust (D), Andrea Fraser (US), Jochen Gerz (D/IRL), Jean-Luc Godard (F), Alex McQuilkin (US), Björn Melhus (D), Antoni Muntadas (E), Daniel Pflumm (D), Oliver Ressler & Dario Azzellini (A/D/VEN), Julika Rudelius (NL), Corinna Schnitt (D/US), Kerry Tribe (US), Ingrid Wildi (CL/CH). Ausgewählte Arbeiten werden im Seminar gesichtet und ihre spezifische Medialität im Kontext ästhetischer und gesellschaftlicher Codes befragt.

Der 2. Teil des Seminars im Januar geht der Frage nach, wie das Format des Videointerviews als künstlerische Methode mit der Inszenierung von Geschlechteridentität verschränkt ist. Studierenden wird die Möglichkeit geboten, anhand der Diskussion ausgewählter künstlerischer Beispiele damit zusammenhängende, (kunst-)theoretische Positionen zu reflektieren sowie queer- und genderrelevante Analysekompetenz zu aufzubauen. Das Seminar orientiert sich an zwei Untersuchungsfeldern (künstlerische Arbeiten ab Ende der 1990er Jahre, mediale Darstellungen allg.), in denen Befragungsstrategien mit je unterschiedlichen Zielsetzungen angewendet werden: Selbstinterviews als künstlerische Praxis, Künstler_inneninterviews und geständnisorientierte Zeugnisse (confessionals) im Web 2.0. Besonderes Augenmerk liegt auf den Wechselwirkungen zwischen dem Interview und den Medien seiner Umsetzung, Aufzeichnung und Beobachtung. Die zentrale Frage: Inwiefern (re-)inszenieren und performen Videointerviews Geschlechteridentitäten und wie lassen sich Konfigurationen von Macht in diesem Zusammenhang einsehen?

Antonia Rahofer ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und schreibt ihre Dissertation zum Thema.