Public Un/Happiness
Der Ausstellungstitel Public Un/Happiness kann als Fortsetzung einer Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kunst und Aktivismus gelesen werden, die ich 2014 in der von mir kuratierten Ausstellung The Pursuit of Public Happiness? erstmals thematisiert hatte. Damals fragte ich in Bezugnahme auf Hannah Arendts Überlegungen zur Mehrdeutigkeit des Pursuit of Happiness (eines Strebens nach Glück) in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (nämlich im Sinne eines privaten, ökonomischen bzw. eines öffentlichen Glücks) danach, wie Künstler*innen und ihre Kunst in Zeiten gesellschaftlicher, kultureller und ökonomischer Unruhen öffentliches Leben reflektieren.
Die Ausstellung Public/Unhappiness entfaltet nun einen Raum, um über die etwa zehn Jahre zurückliegenden Proteste, die unter den Namen Arabischer Frühling und Internationale Occupy Bewegung bekannt wurden, nachzudenken, in deren Kern als Forderung The Pursuit of Public Happiness stand. Was ist geblieben von der Idee einer demokratischen Öffentlichkeit und welche Herausforderungen und Ambivalenzen sind damit verbunden?
In Improvisatorische Versammlungen (2016-2023) sind vier Konstellationen den Protesten in New York, Frankfurt, Istanbul und Kairo gewidmet. Sie bestehen aus den Serien Prefigurative, der S/W-Serie und den Scrolls:
1. Die Serie Prefigurative bezieht sich auf ein partizipatorisches, horizontales Demokratiemodell, aber auch auf partizipatorische emergente soziale und materielle Formen. Das Präfigurative wird mit einem Verfahren digitaler Postproduktion evoziert.
2. In Referenz auf eine Tradition sozialdokumentarischer Fotografie besteht die S/W-Serie aus Bildern, die ich an den jeweiligen Orten zwischen 2008 und 2019 aufgenommen habe.
3. In der Serie der Scrolls montiere ich beide Bildformen und „vernähe“ sie mit einzelnen Textzeilen aus Zeitungsartikeln zu offenen Narrativen. In den Konstellationen werden unterschiedliche Zeitlichkeiten gegenübergestellt. D.h. einerseits greife ich auf Bilder zurück, die ich an diesen Orten in der ersten Dekade des Milleniums aufgenommen habe und stelle beispielsweise den Occupy Wall Street Protesten 2011 Bilder der Lehmann-Pleite 2008 gegenüber. Andererseits habe ich in den Jahren nach den Protesten einige der Orte erneut aufgesucht und dort fotografiert, u.a. den Neubau der EZB in Frankfurt.
Die installative Arbeit Solo-Protester and Support Structure (2018/19) ist im Kontext der Recherchen zu den Gezi Protesten 2013 entwickelt worden. Ausgangspunkt für die Protestschilder in den offen(sichtlich) stützenden Sockel-Gestellen war der schweigend sprechende Protest des Performers Erdem Gündüz und die in den sozialen Medien geteilten Bilder der weltweiten, solidarischen Re-enactments. Direkt nach der Räumung des Gezi Protestcamps unterwanderte Gündüz das durch die Polizei verhängte Versammlungsverbot, indem er nichts weiter tat als sich einzeln still auf den Platz zu stellen. Die dreidimensionale Struktur des Solo-Protester setzt sich nicht zuletzt mit dieser Ambivalenz der körperlichen Präsenz auseinander.
Midissage
26. April 2023, ab 18 Uhr
Gespräch 19 Uhr
Ausstellung
21.–27. April 2023
Öffnungszeiten
21.–23.4., 16–19 Uhr (und nach Vereinbarung: wuermell@hfg-offenbach.de)
Magma Maria
Hafenplatz 1-3
63067 Offenbach