Bundesverdienstkreuz für Grete Steiner

vor 5 Jahren
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Grete Steiner wurde vom Hessischen Europastaatssekretär Mark Weinmeister in Wiesbaden mit dem vom Bundespräsidenten verliehenen Verdienstkreuz am Bande gewürdigt. Steiner ist als Mitglied der freunde der hfg e.v. und ganz besonders als Initiatorin des Festivals der jungen Talente eng mit der HfG verbunden.

Grete Steiner wurde 1944 geboren. Ende 1964 verschlug es die gebürtige Nordhornerin nach Offenbach. Sie studierte Grundschullehramt und wechselte 1983 von der Humboldtschule zur Offenbacher Schillerschule, an der sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2009 unterrichtete. Darüber hinaus trat sie 1986 der SPD bei und engagierte sich in der Lokalpolitik. 2010 wurde sie für ihre herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Gleichstellung von Frauen mit dem ersten Sophie-von-La-Roche-Preis ausgezeichnet. Im Jahr 2000 initiierte der Verein für Kunstförderung Rhein-Main e.V. das Festival der jungen Talente und trägt es seitdem.

»Dieser Tage wird viel über das Engagement in der Kommunalpolitik diskutiert. Wir sprechen über die Rahmenbedingungen und was es bedeutet, öffentlich Position zu beziehen und sich ehrenamtlich für die Belange der Mitmenschen und die Entwicklung einer Stadt einzusetzen. Es erfordert Mut und setzt die Bereitschaft voraus, Zeit und Energie in die Arbeit vor Ort zu investieren. Ich empfinde das nicht als Selbstverständlichkeit und freue mich deshalb besonders, Grete Steiner heute für ihr langjähriges Engagement zu danken«, erklärte Europastaatssekretär Weinmeister bei der Feierstunde in der Hessischen Staatskanzlei.

Der vom Bundespräsidenten verliehene Verdienstorden wird an in- und ausländische Bürgerinnen und Bürger für politische, wirtschaftlich-soziale und geistige Leistungen verliehen sowie darüber hinaus für alle besonderen Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland, wie zum Beispiel im sozialen und karitativen Bereich. Er ist die einzige allgemeine Verdienstauszeichnung in Deutschland und damit die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht. 

Interview mit Grete Steiner

vor 5 Jahren

Frau Steiner, was war ihr erster Kontakt mit Kunst?

Mein erster Kontakt mit Kunst hatte mit mir selbst zu tun. Ich begann, Visionen zu entwickeln und diese auch umzusetzen, entwarf Skulpturen und Bilder, vor allen Dingen Skulpturen. Als Frau, die sich nochmal weiterentwickelt, hatte ich sehr viele psychische Belastungen, sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich. Kunst war für mich eine Sprache, die es mir ermöglichte, sich mit mir, mit meiner Psyche, auseinandersetzen zu können.

Hatte die Kunst auch Einfluss auf ihre Tätigkeit als Lehrerin?

In der Schule habe ich von Anfang an in meinen eigenen Klassen auch Kunst unterrichtet und damit eigenständige Wege entwickelt, damit die Kinder sich entfalten konnten. Die Fächer Religion, also Ethik, Gesellschaftslehre und Kunst habe ich versucht, miteinander zu verbinden. Abseits meiner eigenen Auseinandersetzung mit Kunst war es für mich eine unglaublich wichtige Erfahrung zu sehen, was man mit Kunst in einer Klasse alles bewirken kann. 

Neben Ihrer Lehrtätigkeit haben sie sich dann auch politisch engagiert?

Richtig. 1986 wurde ich stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin. Dadurch konnte ich für die Schulen wirklich etwas bewirken und Dinge mitgestalten. So habe ich zum Beispiel auch das Programm „Jugend im Parlament“ eingeführt, bei dem gewählte Vertreterinnen und Vertreter der 9. und 10. Klassen einmal in der Woche an den Sitzungen im Rathaus teilnehmen durften.

Wie kamen Sie schließlich darauf, das Festival der jungen Talente zu gründen?

Es entstand aus der Idee, dass Kunst einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft haben muss. Ich hatte damals Kontakt zu Ursula Diehl, die zu der Zeit die Messe Offenbach leitete. Außerdem nahm ich Kontakt zu drei Hochschulen auf: zur Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, zur Städelschule, wo damals noch Kaspar König Rektor war und zu Wolfgang Luy, den damaligen Rektor der Hochschule für Gestaltung in Offenbach.

Und dann haben Sie das Festival der jungen Talente entwickelt. Wie ist das konkret gelaufen?

Damals hatte ich einen guten Kontakt zu Hans Peter Kloppenburg, dem damaligen Direktor der Sparkasse. Jedes Mal, wenn ich eine künstlerische Idee hatte, habe ich bei ihm um einen Termin gebeten. Zuerst hielt er stets abwehrend die Hände in die Höhe, die dann, während ich erzählte, langsam immer weiter nach unten sanken – und dann hat er meist gesagt: Doch, ich unterstütze das Projekt. Ohne ihn hätte ich das Festival nie auf den Weg bringen können. Er hat ein Drittel oder die Hälfte des Festivals finanziert und den anderen Teil habe ich über die Stadt bekommen. Im Laufe der Zeit kamen weitere Sponsorinnen und Sponsoren dazu.

Welche Erinnerungen haben Sie an das erste Festival?

Das erste Festival fand in der Messe in Offenbach statt, in Kooperation mit Ursula Diehl, die immer noch als Schatzmeisterin des Vereins für Kunstförderung dabei ist. Damals präsentierten sich jeder Student und jede Hochschule einzeln und alle betrachteten das Festival als Messe. Nach dem Festival war mir klar, dass das nicht der richtige Weg war.

Und was haben Sie geändert?

Vor dem zweiten Festival, das drei Jahre später wieder in der Messe Offenbach stattfinden sollte, haben wir in einer Sitzung das Konzept insofern geändert, als dass die Hochschulen sich nicht mehr nur nebeneinander präsentieren sollten. Vielmehr sollten sie sich vorbereiten und schon in der Zeit vorher vernetzen. Durch Heiner Goebbels konnten wir das Institut für Angewandte Theaterwissenschaften der Justus-Liebig-Universität in Gießen dazu gewinnen. Wir sind mit Studierendengruppen nach Gießen gefahren, haben uns anschließend in Frankfurt in der HFMDK getroffen und ein Wochenendseminar an der HfG abgehalten, damit alle Teilnehmenden sich vorher kennenlernen konnten. So ist der Gedanke kooperativer Projekte entstanden und bis heute gewachsen. Jetzt ist es die Voraussetzung aller beim Festival gezeigten Projekte, dass sie in Kooperation mit Akteure_innen verschiedener Hochschulen entstehen. Ich finde das völlig logisch, nicht nur als kreativen Prozess des Miteinanders, sondern mit Blick auf die Arbeitswirklichkeit: da muss ich doch auch mit verschiedenen Partner_innen agieren können.

Sie würden das also als wichtiges Alleinstellungsmerkmal des Festivals bezeichnen?

Ja, aber der Kooperationsgedanke hat sich über die Jahre durch neue Technologien stark gewandelt. Im Mittelpunkt steht die moderne Kunst und die damit eng verknüpfte Digitalisierung. Es ist bei den Projekten nicht mehr unbedingt ein körperliches Nebeneinander, sondern vieles wird vorher zusammenaddiert zu einer vielleicht rein digitalen Präsentation. Meiner Meinung nach muss man erst begreifen, dass über die Hände viel Sinnliches entwickelt und abspeichert wird. Deswegen entdecken die Schulen jetzt gerade wieder das Schreiben für sich. Aber natürlich sehe ich die Digitalisierung als Chance für die Kunst mit ganz eigenen Potentialen. In den nächsten Jahren wird sich sowieso einiges tun, nicht nur im Bereich der Digitalisierung. Sehen Sie, 2016 hatten wir ein Symposium dabei und 2018 erstmals eine Lesung – beides sehr analoge Formate.

Welches Festival war rückblickend das bemerkenswerteste für Sie, was hat am meisten überrascht?

Ich fand es sehr spannend, mal ins Gelände zu gehen, und zwar beim ersten der beiden Festivals im Offenbacher Hafen im Jahr 2008. Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler haben schon Wochen vor dem Festival vor Ort etwas entwickelt und sich intensiv mit der Umgebung auseinandergesetzt.

2018 gastierte das Festival zum zweiten Mal im Frankfurter Kunstverein (FKV) und damit in einem professionellen räumlichen Rahmen.

Das freut uns natürlich sehr. Die Zusammenarbeit mit Franziska Nori und ihrem Team vom FKV lief schon bei der ersten Auflage im Jahr 2016 sehr gut. Sie war selbst überrascht, was für einen großen Andrang das Festival ihrem Haus beschert hat. Und natürlich ist es für die jungen Künstlerinnen und Künstler eine tolle Möglichkeit, ihre Arbeiten in professionellen Räumen eines renommierten Hauses zu präsentieren. Ich fände es dennoch wichtig, dass über die Jahre die Räume auch gewechselt und Orte bespielt werden, die sich im Umbruch befinden und sich dort mit der Zeit im Umbruch beschäftigt wird.

Gibt es schon Ideen für das 10. Festivaljubiläum im Jahr 2020? Was würden Sie sich wünschen?

Es wäre toll, wenn wir Offenbach Kaiserlei bespielen könnten. Ganz im Sinne der Begegnung der Nachbarn Offenbach und Frankfurt in dieser Region. 

Sie meinen das Gebiet um den Kaiserlei-Kreisel, das gerade komplett neu gebaut wird?

Richtig! Man müsste eigentlich schon jetzt damit beginnen, die unterschiedlichen Firmen, die sich dort niederlassen werden, sei es Mercedes oder wer auch immer, anzusprechen und ins Boot zu holen. Neben den Räumen in den Gebäuden wäre zum Beispiel im Außenbereich der neue Fußgängerdamm fantastisch zu bespielen. Auch die Hochhäuser könnte man von außen bespielen ...

Was wünschen Sie sich für das Festival der jungen Talente?

Dessen Weiterentwicklung ist sicher Aufgabe für eine junge Generation, die Fragen stellt, die sie berührt. Ich als Ältere muss das nicht mehr einbringen. Ich bin soweit, zu sagen, dass wir einen Umbruch erleben – auch in der Region. Die Städte verändern sich rasant, zum Beispiel durch die gewünschte autofreie Mobilität. Darauf müssen wir doch künstlerisch reagieren. Vielleicht wäre das ein Thema für 2020.

Das Interview führten Katja Kupfer und Jens Balkenborg aus der Presseabteilung der HfG Offenbach