Die Mauer - Der Vertikale Horizont

Die Mauer -
Der Vertikale Horizont: Die Eroberung des Todesstreifens. Segment 1: SO36
Videoinstallation von Rotraut Pape
Kasseler Dokfestivals 2009: Monitoring
Ausstellungsdauer:
11. bis 15. November 2009
Ort:
Kasseler Kunstverein
Fridericianum
Friedrichsplatz 18
34117 Kassel
Rotraut Pape, Professorin für Film/Video an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach präsentiert während des 26. Kasseler Dokumentar, Film und Videofestivals im Rahmen der Ausstellung »Monitoring« ihre Langzeitprojekt-Videoinstallation »Die Mauer - Der Vertikale Horizont: Die Eroberung des Todesstreifens. Segment 1: SO36«, in der sie seit 1989 die Veränderungen am ehemaligen Mauerstreifen in Berlin dokumentiert hat.
„Bereits eine Woche nach Öffnung der Berliner Mauer im November 1989 war ihr Verschwinden absehbar. Am 17. 11. 1989 ging ich mit einer Kamera noch einmal an ihr entlang. Der Weg begann in Kreuzberg und folgte auf der Westseite der stellenweise bis unter den Rand bemalten Mauer, die immer kurz neben dem Bürgersteig verschiedenen Straßenzügen folgte, bis hinter den Reichstag. Alle kreuzenden Querstraßen waren 1961 zu Sackgassen geworden. Einige Monate später ging ich erneut diese Strecke entlang, das Kameraauge fest auf die Reste der Mauer und später auf das, was sie verbarg, gerichtet. Dann wieder im Sommer und ein viertes Mal im November 1990, genau ein Jahr später. Die Mauer war verschwunden.
In den darauffolgenden Jahren nahm ich immer mal wieder diesen Weg an der ehemaligen Mauer entlang und folgte mit der Kamera ihrer Spur durch die Zeit. Mein ursprüngliches Interesse an der Ästhetik des Verschwindens wich dem an der Politik des Verschwindens: Ich konnte nun die beginnende und fortschreitende Eroberung des Todesstreifens beobachten, dieses einzigartigen Freiraums, der sich mitten durch Berlins Innenstadt zog. Nach achtundzwanzig Jahren mit und zwanzig Jahren ohne Mauer zieht sich heute immer noch dieser – weitgehend unsichtbare – Horizont durch Berlin, in dessen vertikal übereinanderliegenden Schichten und Ablagerungen zukünftige Generationen lesen können.
Segment 1: SO36 (von Köpenicker- bis Heinrich Heine Str., 27:30 min):
Direkt in der Mitte Berlins, in Kreuzberg SO36 geht Veränderung allmählich vonstatten. Der Todesstreifen wurde nach und nach in den ursprünglichen Zustand versetzt, der Asphalt erneuert. Der Luisenstädtische Kanal wurde ausgebuddelt, das Engelbecken mit Wasser gefüllt. Biogebüsch wird nun kultiviert und gibt den eingeborenen Undergroundszenen einen Platz zur freien Entfaltung. Die Wagenburg am Künstlerhaus Bethanien trotzt unverändert dem Zahn der Zeit, das türkische Kohlfeld ist jetzt legal, der Kinderbauernhof hat einen neuen Zaun. Gegenüber entstehen nach und nach neue Fassaden mit kleinen Balkonen oder größeren Dachterrassen. Selten sieht man Menschen. Neu gepflanzte Bäume wachsen. Immer mal wieder stehen ausgebrannte Autos herum, wir sind in Kreuzberg. Ein paar neue Häuser wurden gebaut, viel Rest liegt brach, wurde aber eingezäunt.“
(Text: Rotraut Pape)
10.11.2009
