HfG-Promotionsbereich feat. springerin-Magazin

vor 2 Jahren
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Cover: YBDG (Young Boy Dancing Group) Auftritt bei Young Urban Performance, Kunsthalle Osnabrück, 2022 mit Maque Pereyra, Mina Tomic, Brigitte Huezo, Nica Roses, Maria Metsalu, Manu Anima 

Foto: Carlos Pohlmann

Das aktuelle Themenheft der österreichischen Kunstzeitschrift »springerin – Hefte für Gegenwartskunst« ist in Kooperation mit dem Promotionsbereich der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach entstanden. Koordiniert wurde das Projekt von Christian Höller, Chefredakteur der »springerin« und von Marc Ries, Professor für Soziologie und Theorie der Medien an der HfG. Das Thema »Hysterien« wurde kuratiert und mit Text- und Bildbeiträgen u.a. von den Promovendinnen Julia Hainz, Annie Kurz, Maria Sitte und Christine Würmell gestaltet. Das Heft wird von dem beteiligten HfG-Team im Rahmen des 24. HfG-Rundgangs, der vom 15. bis 17 Juni 2022 stattfindet, vorgestellt.

Die seit 1995 vierteljährlich erscheinende »springerin« widmet sich der Kritik und Theorie der Kultur der Gegenwart. Das Magazin informiert über aktuelle Ereignisse und Tendenzen im Kulturbetrieb und beschreibt deren Bedingungen und Bedeutungen. 

Aus dem Editorial zur »Hysterie«-Ausgabe

Gereiztheit und Erregung sind zwei Schlüsselphänomene der Gegenwart, die an einer Vielzahl von Schauplätzen ihr Unwesen treiben. Dabei sind diese Begriffe höchst variabel und dehnbar, wenn man an das weite Spektrum denkt zwischen eklatantem Unrecht, das es legitimerweise anzuprangern gilt, und reflexhafter Abwehr jeglicher als Zumutung empfundener Fremdwahrnehmung. Die Welt, wie sie uns nicht länger gefällt, ist zu einer endlosen Reibungsfläche geworden. Wobei die Reibung, ja das Aufreibende, längst in das wahrnehmende Subjekt hineinverpflanzt ist, während die Ursachen des Sich-Aufreibens mit Vorliebe anderen zugeschrieben werden.

Der im Februar vom Zaun gebrochene russische Angriffskrieg verschärft diese Lage noch einmal dramatisch. Zwar besteht kaum Zweifel daran, wer hier Aggressor und wer der Angegriffene ist. Doch die Effekte dieses unbestreitbaren Völkerrechtsverstoßes könnten divergenter nicht sein: von kriegstreiberischem Anfachen der Katastrophe über abwägende »Wie kommen wir hier wieder raus?«-Ansätze bis hin zu pazifistischem Eifer, der die verheerenden Kriegsrealitäten aus den Augen zu verlieren droht. Und vielerorts erregte, die Gegner_innen harsch aburteilende Radikalreaktionen. Eine wahrlich »hysterische« Gemengelage, um das Leitmotiv dieser Ausgabe aufzugreifen.

Hysterische Erscheinungen verblüffen uns immer wieder, auch weil sie jede bzw. jeder an sich selbst beobachten kann. Es handelt sich dabei meist um ein Überreagieren (worauf auch immer), das aus den Tiefen subjektiver wie kollektiver Affektlagen herzurühren scheint. Allein dieses komplexen Gefüges rational habhaft zu werden, stellt eine schwierige Angelegenheit dar und wirft eine Reihe von Fragen auf: Lässt sich „das Hysterische“ in sinnvoller Weise als Kategorie zur Analyse der Gegenwartsgesellschaft und ihrer Individuen heranziehen? Wie könnte eine Neudefinition des Begriffs aussehen? Und welche Ausdrucksformen rund um Erregtheit und Enervierung zeichnen sich seit geraumer Zeit im kulturellen Feld besonders markant ab?

Das Themenheft Hysterien, das in Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung Offenbach (Lehrgebiet Soziologie und Theorie der Medien) entstanden ist, geht diesen Fragestellungen nach. Versucht wird, hinter die vielfältigen Manifestationen von Aufgebrachtheit und Empörung, von Gereiztheit und Erregung zu blicken – und anhand von Einzelstudien Regelhaftigkeiten hinter diesem phänomenologischen Wildwuchs auszumachen. (...)

22.06.22

Hysterie im Heft

Hysterische Ökumene

Phänomene und Modelle der Gegenwartsgesellschaft

Marc Ries

Simulacrum: 051822 - ‚Hysteria of the West‘

Annie Kurz

Gegendruck

Über Protestbilder und Bildproteste

Christine Würmell

If you support...

Kateryna Lysovenko

Das ganze Ausmaß der Katastrophe

Gespräch zwischen Nikita Kadan und Noit Banai über Hysterie und Zeugenschaft im Zuge des Ukraine-Krieges
Noit Banai

Direct Approach

Gespräch mit der dänischen Künstlerin Stine Marie Jacobsen über mögliche Entschlüsselungen von Gewalt und Horror
Annie Kurz

Freude schöner Götterfunken

Frankfurter Hauptschule

Vom vielschichtigen Charakter der Empörung

Eine kurze Affekterörterung
Maria Sitte

Spaced Bodies

Im Zwischenraum der Aufführung
Julia Hainz

THE RESILIENCE COMPLEX

Karina Nimmerfall