Internationale Würdigung der Offenbacher „Theorie der Produktsprache“

Prof. Klaus Krippendorff (Ph.D.), Gregory Bateson Professor for Cybernetics, Language and Culture at the Annenburg School for Communication, University of Pennsylvania hat vor kurzem im renommierten Verlag Taylor & Francis (Boca Raton - London - New York 2006), ein Buch veröffentlicht, dem besondere Beachtung gehört: „The Semantic Turn - A New Foundation for Design“ (ISBN 0-415-32220-0). Bereits Mitte der 1990er Jahre sollte dieses im Frankfurter Verlag form erscheinen.
Klaus Krippendorff war einer der ersten Absolventen der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm. Danach studierte er Kommunikationswissenschaften in den USA, die er mit einem Ph.D. abschloss seit den 1970er Jahren lehrt er in Philadelphia. Mit seiner Diplomarbeit an der hfg ulm (1961): „Über den Zeichen- und Symbolcharakter von Gegenständen: Versuch zu einer Zeichentheorie für die Programmierung von Produktformen in sozialen Kommunikationsstrukturen“ gehört er zu den Wegbereitern aktueller designtheoretischer Forschung, Lehre und Praxis.
Der reichlich missbrauchte Begriff des Paradigmenwechsels (Thomas S. Kuhn) kann endlich wieder einmal - und dies wirklich fundiert und begründet - angewendet werden: Vom Design als Funktion hin zu seinem so vordergründig simplen Statement: „Design is making sense of things“. Also der Wechsel vom Designer als Erfinder zum Interpretanten von Produkten, Lebenszusammenhängen oder der Welt gleich insgesamt. Design bestimmt nicht nur das Sein sondern insbesondere auch das Bewusstsein darüber.
In diesem - nun wirklich nicht einfach zu lesenden Buch - gibt Krippendorff einen profunden Abriss über die Ideengeschichte der „semantischen Wende“ - ein Begriff, den wir ihm ja schon gerne streitig machen würden. So waren es Max Bense, Tomás Maldonado, Abraham Moles und Horst Rittel, die in den 1960er Jahren in Ulm die entscheidenden Grundlagen vermittelt hatten, um zu einer Neubestimmung von Design und Gestaltung zu kommen. Gerade am Beispiel der hfg ulm deutlich, dass die Dominanz der Funktionalität auch zu einer unausgesprochenen Produktsemantik geführt hat. Dies macht er an einer Reihe von bekannt klassischen Produktbeispielen deutlich.
Besonders wichtig scheint auch seine Abgrenzung der „semantischen Wende“ zu anderen theoretischen Diskursen zu sein. Dazu gehören die Semiotik, der Kognitivismus, die Ergonomie, die Ästhetik, der Funktionalismus, das Marketing sowie die Texttheorie.
Ein besonderes Kapitel widmet Krippendorff der Offenbacher „Theorie der Produktsprache“. So referiert er insbesondere das legendäre „Streifenbuch“: „Design als Produktsprache“, hrsg. von Dagmar Steffen, mit Beitragen von Bernhard E. Bürdek, Volker Fischer und Jochen Gros (Frankfurt am Main 2000). Insbesondere die Beiträge von Prof. Richard Fischer zur Entwicklung der „Anzeichenfunktionen“ (der bis 1999 im Fachbereich Produktgestaltung gelehrt hat), werden von Krippendorff gewürdigt. Aber auch Bernhard E. Bürdeks Beiträge zur Weiterentwicklung produktsprachlicher Kategorien in die Bereiche Interface/Interaction Design finden Beachtung. Überhaupt sieht Krippendorff - neben einigen Ansätzen der Münchner Siemens AG in den 1980er Jahren - die Offenbacher Arbeiten als die wohl am weitesten entwickelten Beiträge im Rahmen der „semantischen Wende“ im Übergang vom 20. Jahrhundert zum 21. Jahrhundert an. Allein die Tatsache, dass er dem von B.E. Bürdek (Basel-Boston-Berlin, 2005) konstatiertem „Visual Turn“ keine Beachtung schenkt, muss als kleiner Mangel dieses wirklich bedeutsamen Buches angemerkt werden. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass eine deutsche Übersetzung dieses Werkes die allgemeine Rezeption erheblich befeuern würde.
ug
23.3.2006