Mit offenem Blick
Kai Linke
Mit offenem Blick
50 Jahre | 50 Alumni: Kai Linke
Ein stehendes Lasso als Garderobe, keramische Wandkacheln mit einer Oberfläche wie zerknülltes Papier, in sich gespiegelte Gartenstühle, Tiere aus Bronze, eine Türgriffserie aus Porzellan: Als »ein neugieriges Potpourri« beschreibt Kai Linke lächelnd seine Arbeiten. Vieles davon versammelt er in seinem Studio in den lichtdurchfluteten Atelierräumen einer ehemailgen Teefabrik in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs, die er sich mit weiteren Künstler_innen und Designer_innen teilt. Auf seinem Schreibtisch steht eine leuchtende Tragetasche. »KUU«, finnisch für Mond, heißt das Luminale Lichtobjekt 2020 zum Mitnehmen, das in Zusammenarbeit mit der frankfurter werkgemeinschaft e.V. für die kommende Lichtkunst-Biennale Luminale entstanden ist. Der Mond lässt sich aus der Tasche herauslösen.
Kai hat sich über die Jahre seinen »offenen Blick« und besonderen Umgang für Formen und Materialien bewahrt. Bereits während des Studiums in Offenbach war er vielseitig interessiert. Er studierte Produktgestaltung (heute Design) und realisierte auch ein Projekt mit der künstlerischen Disziplin. Das besagte Lasso und die Schlägerei-Möbel aus Schaumstoff, seine »Produkte für den modernen Cowboy«, entstanden im Sommer 2005 für den beim Rundgang ausgestellten Offenbacher Saloon »Stolen Wood« unter Betreuung von Heiner Blum, Professor für Experimentelle Raumkonzepte. Im Januar des Folgejahres konnten die Besucher_innen der Messe imm cologne mit den »Hit It«- Möbeln aus Schaumstoff toben.
Impliziert steckt in dieser Arbeit, in dem Umgang mit Form und Material, bereits das Thema, das Kai schließlich 2008 in seiner Diplomarbeit bei Prof. Dieter Mankau untersucht: die Deformationen. »Ich war’s nicht« heißt seine Diplomarbeit. Und der Name ist Programm: Die in eine Filzhülle gegossenen Hocker und Tischböcke haben ihre Form in der nachgebenden Hülle quasi selbst gefunden. Eine Autodeformation, für die Kai »nur« den Rahmen geschaffen hat. Er war’s eben nicht. Auch in diesen Möbeln steckt sein Augenzwinkern: sie haben etwas Tragikomisches und wirken, als seien sie einem surrealistischen Gemälde entsprungen.
Nach Abstechern in die Studios von Tobias Rehberger und Tomas Saraceno gründete Kai 2009 sein eigenes Studio. Seit 2015 lehrt er nebenbei Möbel- und Produktdesign und Ausstellungsarchitektur an der Kunsthochschule Kassel. Mit seinem Studio widmet er sich mittlerweile der Gestaltung von Möbeln und Produkten für internationale Hersteller, Interiors für Hotel- und Bürogebäude und Ausstellungsarchitektur. Letzteres etwa im Auftrag des Frankfurter Palmengartens oder der Kunsthalle Münster und Messen.
Im letzten Jahr ist sein Buch »Kai Linke in Japan« als Ergebnis eines Forschungsstipendiums des Goethe Instituts in Japan erschienen. Darin beschäftigt sich der Designer mit traditionellen japanischen Fertigungstechniken und Fassaden- und Oberflächenstrukturen.
Im Rahmen einer Residency in der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart im Jahr 2016 kam ihm die Idee zu der Tierserie »Clique«. Kai gestaltete dort an jedem Tag, nur mit der Hand, ohne Computer, ein Tier aus Papier. Fünf davon werden mittlerweile in Serie in Bronze produziert und vertrieben, und die Clique wächst kontinuerlich weiter.