Mnemosyne – Petra Mühl

Mnemosyne - Installation und Fotografie
bis 28. März 2004
Öffnungszeiten: Sa, So und Di, jeweils 16:00 – 19:00 Uhr
Historisches Rathaus Hochstadt
Am Rathaus 1
63477 Maintal
Der Mensch konstruiert seine Erinnerung
Ausgangspunkt für die Ausstellung ist Mnemosyne, die griechische Göttin der Erinnerung und der Musen. Auf ihren drei "Mnemosyne-Tafeln" skizziert sie mit Pfeilen und Stichpunkten verschiedene Assoziationen zur Erinnerung: Für Platon ist das Gedächtnis eine Wachstafel, in die sich alle Erlebnisse eindrücken. Im Mittelalter war der Spiegel das Symbol für die Erinnerung. In der Neuzeit setzen sich Roland Barthes und Walter Benjamin mit der Fotografie auseinander, da sie Licht aus der Vergangenheit festhält.
Obwohl die anderen Ausstellungsstücke Collagen aus Mühls eigener Vergangenheit sind, haben sie etwas Gemeingültiges: "Meine Kunstwerke sind nicht nur meine persönliche Erinnerung. Ich betrachte das Thema eher wissenschaftlich und allgemein", sagt Mühl.
Sie arbeitet analytisch, aber nicht psychoanalytisch. Ihre Werke verfolgen klare Ideen und Strukturen. Mühl liebt das Experiment - und das macht ihre Arbeiten erst spannend. Sie setzt sich nicht nur mit der Erinnerung auseinander, sie seziert sie.
In der Mitte der Ausstellung steht ein Labortisch mit Gegenständen: "Das Laboratorium". Mühl gießt Rosen in Wachs, um sie zu konservieren und dennoch dem Verfall auszusetzen. "Ich nehme Wachs, weil es organisch ist und die Rose verändert. Kunstharz wäre mir zu steril", erklärt sie. Genauso gießt sie alte Photos in Wachs und fotografiert diese dann ab: Die Figuren verschwimmen, sind kaum noch zu erkennen und werden zu Gespenstern aus der Vergangenheit. "Wenn wir uns erinnern, konstruieren wir. Wir können nicht rekonstruieren, wie es genau war. Also verändern wir die Vergangenheit", erklärt die Künstlerin.
Petra Mühl (38) hat an der Schule für Gestaltung in Basel und an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung studiert. Mit der Mnemosyne setzt sie sich schon mehrere Jahre auseinander - unter anderem 2001 in der Hanauer Remisen-Galerie. Auch ihre Diplomarbeit von 1995 trägt den Titel "Erinnern und Vergessen - eine Installation".
Zu diesem Thema hat Mühl viele sehenswerte Ideen: Sie zeichnet Kinderbilder von sich und ihren Eltern - es ist nicht mehr zu erkennen, wer nun eigentlich älter ist - und nennt das ganze "Kommwirspielen vatermutterkind". "Meine Vergangenheit hätte auch anders sein können", sagt Mühl. In Petrischalen sammelt sie Zeitungsartikel über jungen Frauen und Mädchen. Über jeden Text hat sie ihr eigenes Photo gescannt. So wird die Künstlerin zum jugendlichen Drogenopfer, zur Unschuld vom Lande, zur Wahrsagerin oder zum RAF-Mitglied. Erinnerung ist schließlich Konstruktion.
Daniela Roland, Frankfurter Rundschau, 7. März 2004
pm