Texte zur Kunst: Feminismus!

Prof. Dr. Juliane Rebentisch ist Mitherausgeberin von Heft 84 »Feminismus!« (Dezember 2011) der Texte zur Kunst. Rebentisch lehrt als Professorin für Philosophie/Ästhetik an der HfG Offenbach.
Aus dem Vorwort von Sabine Buchmann, Isabelle Graw und Juliane Rebentisch
"Feminismus! Das ist ein Thema, dem wir uns von Beginn an mit zahlreichen Ausgaben und Beiträgen gewidmet haben. So galten und gelten den Autorinnen und Autoren von Texte zur Kunst Fragen zur Rolle von Frauen im Kunstbetrieb sowie zu Auseinandersetzungen mit feministischen Theorien oder zu den Konzepten der Gender und Queer Studies als immer wiederkehrende Bezugspunkte für die Analyse gesellschafts- und kunstpolitischer Zusammenhänge. Gleichwohl ist es natürlich kein Zufall, dass wir uns gerade jetzt konzentriert diesem Thema zuwenden. Augenscheinlich befindet sich die mit diesem Begriff assoziierte Bewegung an einem prekären Punkt in ihrer Geschichte (vgl. hierzu unsere Umfrage). Auf der einen Seite steht die Behauptung, dass sich die Forderungen des Feminismus durch die Etablierung von Gender-Mainstreaming-Programmen und durch die Institutionalisierung der Gender Studies an den Universitäten weitgehend erfüllt haben. Noch nie war die Stimmung so „postfeministisch“ oder „postgender“ wie heute. Indes ist andererseits dieser Zeitgeist auch das Symptom einer sich selbst als „postideologisch“ gerierenden Ideologie, nach der es keine soziale Ungleichheit, sondern nur noch individuelles Versagen gibt: Wie es allein an den Einzelnen liegen soll, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen, soll es auch an den individuellen Frauen liegen, ob sie durch ihre Geschlechtszugehörigkeit beschränkt werden oder nicht.
Dieser nicht zuletzt innerhalb der feministischen Bewegung selbst greifende Prozess der Entpolitisierung und Entsolidarisierung spiegelt sich denn auch keineswegs in einem anderen gesellschaftlichen Zustand, sondern in der Persistenz von altbekannten Realitäten – Realitäten, die der Behauptung eines historisch erfüllten Feminismus krass entgegenstehen: Von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann immer noch keine Rede sein; der Versuch, in den Chefetagen der großen Dax-Konzerne eine juristisch verbindliche Quote einzuführen, hat sich einstweilen als nicht durchsetzbar erwiesen; von einer Rückkehr in den Geist der 1950er Jahre gar zeugen die Informationen über Bordellreisen, die die Hamburg Mannheimer für verdiente Mitarbeiter organisiert hat, oder auch die Auskunft des Chefs eines großen deutschen Verlags, die ehemalige Chefin eines anderen großen deutschen Verlags käme als Nachfolgerin für seinen Job nicht infrage, weil ihr das mit zwei Kindern nicht zuzumuten sei. Postgender? Wohl kaum. (...)"