Theoriepreis Fachbereich Kunst
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Für sein Theorie-Diplom »Lens Flare - Vom physikalischen Phänomen zur non-linearen Erzählfigur« erhält Martin Dörr den von der Schleicher-Stiftung ausgelobten Theoriepreis des Fachbereichs Kunst im Sommersemester 2020.
Das Preisgeld in Höhe von 1.500 Euro ist durch die Förderung der Schleicher-Stiftung für die kommenden Jahre gesichert und würdigt jährlich die beste schriftlich-theoretische Diplomarbeit aus dem Fachbereich Kunst. Aufgrund der coronabedingten Absage des letzten Rundgangs konnte der Preis nicht, wie gewöhnlich, im Rahmen der Preisverleihung zur Eröffnung vergeben werden.
Aus der Jürybegründung (Jury: Diplomkonferenz Fachbereich Kunst)
Manchmal, ganz selten, fällt jeder Kommentar zurück hinter das zu Kommentierende. So auch hier. Daher bloß folgendes: Es ist ein fantastischer Text, den Martin Dörr als kongenialen zweiten Part seines Diploms vorgelegt hat; einmal, weil er in hoch konzentrierter Analyse vermutlich alles aus dem Phänomen »Lens Flare« herausholt, was sich aus physikalischer, technischer und ästhetischer Perspektive sagen lässt. Zum anderen, weil der Text auf überzeugend-selbstbewusste Weise die Grenzen zwischen Disziplinen, Denkweisen, Weltbildern sprengt: Hier pulsieren naturwissenschaftlicher, wissenschaftstheoretischer, medientheoretischer, narrativer und philosophisch-spekulativer Diskurs mit und ineinander. Da wird »Lens Flare« als materieller Zeuge einer Rekonfiguration unserer selbst, unserer Sinne eingeführt, wird sozusagen die Uszene von »Lens Flare« in der Wüste nacherzählt, wird Hollywood´s Geschichte mit der »Lens Flare« minutiös rekonstruiert, zugleich ein zentraler Film der Nachkriegsmoderne, mit Deleuze ein non-lineares »Zeitbild«, Akira Kurosawa´s »Rashomon« im Zusammenhang mit »Lens Flare« neu gelesen.
»Lens Flare« wird zur Figur einer Ausnahmeerscheinung in doppelter Hinsicht. Zum einen, weil ein Fehler im optischen System zu einem Authentifizierungsagenten im fotografischen und filmischen Text avanciert. Das, was sich kontingent und willkürlich zwischen Apparat und Lichtquelle abspielt, demonstriert die Überlegenheit des visuellen Regimes gerade in seiner systemrelevanten Abweichung. Ein produktives Paradoxon. Zum anderen, weil im kreativen Aneignen des Fehlers »Lens Flare« zum Mit-Konstruierenden, Mit-Erzählenden, Mit-Verortenden, Mit-Wahrnehmenden wird, er in gewisser Hinsicht einen subjekt-ähnlichen Status zugesprochen bekommt, den wir bereitwillig anerkennen. Und sei es, um als atmosphärische Verdichtung uns am Nicht-Sehen zu erfreuen. Das ist singulär. Daher: Auszeichnung, Theoriepreis!
Prof. Dr. Marc Ries, Soziologie und Theorie der Medien