Markus Frenzl

Von weißen Städten und grauen Würfeln. Zur Entstehungs-, Design- und Rezeptionsgeschichte des Farbverzichts und einer als chromophob wahrgenommenen Moderne

Fachbereich Design

Jahrzehntelang galt die Architektur- und Designmoderne des 20. Jahrhunderts in der öffentlichen Wahrnehmung, aber oft selbst beim Fachpublikum, als farbfeindlich, emotionslos, nüchtern und kalt. Buntheit wurde, etwa in den 1960er- oder 1970er-Jahren, häufig als bewusste Gegenposition zur Moderne und einem farbfeindlichen Funktionalismus verstanden. Selbst in Fachliteratur und Hochschullehre wurde über Jahrzehnte das Bild einer »chromophoben«[1] Moderne kultiviert. Seit den 1990er-Jahren wird dieses Narrativ durch ein neues ersetzt: Nun wird vor allem die Schwarzweißfotografie, etwa am Bauhaus oder an der Hochschule für Gestaltung Ulm, dafür verantwortlich gemacht, dass das falsche Bild einer farbfeindlichen Moderne entstanden sei, die in Wirklichkeit erstaunlich farbenfroh gewesen sei.

Doch ist die mutmaßliche »Chromophobie« der Moderne in Architektur und Design tatsächlich nur ein Rezeptionsphänomen? Welchen Bedeutungswandel der Farbe gab es in der Moderne des frühen 20. Jahrhunderts? Wie wurde Farbverzicht tatsächlich begründet? Welche Rolle spielen dabei Materialfarben, etwa die der neuen Industriematerialien? Welcher Wandel beim Farbeinsatz in Architektur und Design lässt sich bei den Protagonist*innen der Moderne feststellen? Welche Reaktionen rief etwa Bruno Taut mit seinem »Aufruf zum farbigen Bauen«[2] hervor? Welche Funktionen werden der Farbe in den Farbsystemen und -theorien des frühen 20. Jahrhunderts zugewiesen? Wo wurde der Farbverzicht eingesetzt, um die Ideen einer neuen Gesellschaft und eines »neuen Menschen« zu betonen? Und wo wurde die Farbfeindlichkeit der Moderne womöglich zur bewussten Diffamierungsstrategie der Funktionalismuskritik?

Die Forschungsarbeit untersucht die Rezeptionsphänomene, Simplifizierungen, semiotischen Aspekte und dominanten Narrative, die zum Eindruck einer farbfeindlichen Moderne geführt haben, der bis in die Gegenwart wirkt. Sie soll somit auch eine Auseinandersetzung mit der Langzeitwirkung medialer Zeichen darstellen, die auf die Rezeption oft eine größere Auswirkung haben als die Realität des tatsächlich Gestalteten, Gebauten oder Produzierten.

www.markusfrenzl.de

Betreuende:

Prof. Dr. Klaus Klemp

Prof. Petra Kellner

[1] Vgl. D. Batchelor (2000): Chromophobia, London. Deutschsprachige Ausgabe: D. Batchelor (2002): Chromophobie – Angst vor der Farbe. Übersetzt von Michael Huter. Wien: WUV, S. 62.

[2] B. Taut (2000): Der Regenbogen – Aufruf zum farbigen Bauen [erstmals 1919 in: bauwelt, o.A, 1919]. In B. Taut: Frühlicht 1920-1922. Eine Folge für die Verwirklichung des neuen Baugedankens. Berlin/Frankfurt/Wien: de Gruyter, S. 97.

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