ISO 5000 Award
Preisträgerin 2022 des mit 5.000 Euro dotierten und ausschließlich unter HfG-Studierenden ausgeschriebenen Fotopreises ISO 5000 der Hans und Annemarie Weidmann-Stiftung ist Aslı Özdemir. Die Vernissage der Preisausstellung findet am 28.04.2023 um 18 Uhr in der Englischen Kirche, Bad Homburg v. d. H. statt. Der Name des Preises verweist auf den erweiterten Möglichkeitenhorizont der Fotografie, der deutlich über das menschliche Auge hinausgeht.
Die Künstlerin Aslı Özdemir beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit intergenerationalen Erfahrungen innerhalb ihrer eigenen Familiengeschichte, die geprägt ist von einem Oszillieren zwischen unterschiedlichen Sprachen und Sphären. Ein vererbter Zustand des Transits, des stetigen Fremdwerdens und Ankommens zugleich.
Die Preisausstellung »ich kann mich jetzt als akademiker*in tarnen« zeigt drei Werkgruppen. In Fotografie, Video- und Toninstallation zeigt Özdemir einen internen Blick auf die Geschichte ihrer Arbeiter_innenfamilie. Es entsteht eine subjektive Narration auf unterschiedlichen Ebenen, die die Betrachter_innen durch das fotografische Archivmaterial der Familie führt, das stetig in einem Dialog mit der gegenwärtigen Bildsprache der Künstlerin bleibt.
Die noch zu Lebzeiten von der Architektin Annemarie Weidmann errichtete Stiftung unterstützt mit dem Preis ein noch zu realisierendes Projekt mit Bezug zum Medium Fotografie. Die Studierenden bewerben sich hierfür mit einer schlüssigen und durchdachten Werk- und Projektvorstellung. Der Fotopreis ISO 5000 wird jährlich ausgeschrieben. Die Preisjury bilden aktuell Sabine Schirdewahn von der RAY Fotografie-Triennale in Frankfurt Rhein-Main und Sascha Mintkiewicz seitens der Stiftung.
11.04.23
ich kann mich jetzt als akademiker*in tarnen
Vernissage
28. April 2023, 18 Uhr
Öffnungszeiten
Mi–Fr 16–19 Uhr, Sa+So 14–18 Uhr
Kulturzentrum Englische Kirche
Ferdinandstr. 16
61348 Bad Homburg v. d. Höhe
»Mein Ausgangspunkt für dieses Projekt war ein Gefühl, das mich schon ein ganzes Leben lang begleitet. Ein Unbehagen, eine internalisierte Scham, ein Gefühl, immer etwas verstecken zu müssen, um dazuzugehören. Etwas musste ich ablegen, um ein neues Ich zu finden. Ich glaubte lange, ich müsste mich von etwas lösen, um gesehen werden zu können. Zuerst musste ich unbekannte Codes erlernen, die Codes dieser neuen Räume. Und andere Codes, die ich aus meiner familiären Sozialisation kannte, musste ich zur Seite legen, oder einfach abwerten. Genau. Doch in einem fortlaufenden Modus des Tarnens als ein stetiges Anpassen, wann wird die Anpassung selbst zum Werden?
Die Wertigkeit der Dinge erfindet kein Mensch aus sich heraus, wir alle werden in eine Welt geworfen und verhalten uns zu dieser Welt. Also ist meine Geschichte und auch meine Scham nicht allein eine private Angelegenheit, sondern steht in einer Wechselbeziehung zu der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin. Erst durch meine Tarnung trete ich in Distanz zu meiner eigenen Scham und kann den Begriff der Arbeit neu denken, ihn neu erzählen. Erst durch meine Tarnung ist es mir möglich, diese Worte niederzuschreiben. Erst durch meine Tarnung konnte ich erkennen, dass ich ein paar Schritte zurücktreten muss und neu sehen lernen muss. Erst durch meine Tarnung konnte ich erkennen, dass ich weder das eine, noch das andere werden muss, sondern mein Ich plural ist, sich je nach Kontext immer neu formen kann. Und eben erst durch meine Tarnung verstehe ich die politische Dimension dieser Vermittlung.«
Aslı Özdemir