Freie Druckgrafik


No Strg Z
Künstlerische Drucktechniken
Die künstlerischen Drucktechniken des Hochdrucks, Tiefdrucks, Flachdrucks, Durchdrucks und deren Mischformen sind mit Beschluss der Deutschen UNESCO-Kommission im März 2018 in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden.
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Publikation
Die Publikation »No Strg Z« über die Freie Druckgrafik der HfG Offenbach mit Texten von Bernd Kracke, Volker Steinbacher, Hans Zitko und Stefan Soltek ist erschienen.
Die Gestaltung der Broschüre übernahm Katharina Holl.
ISBN 978-3-945365-09-0
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Volker Steinbacher
Funktion
Lehrkraft für besondere Aufgaben
T +49 (0)69.800 59-241
Hauptgebäude, Raum 7
Hochdruck, Tiefdruck, Fotogravur, Flachdruck, Monotypie
Die Freie Druckgrafik findet ihre Position im Schnittpunkt von Zeichnung, Malerei, Bildhauerei und Fotografie. Als Medium mit eigenen Gesetzmäßigkeiten betont sie ihre Eigenständigkeit als spezielles Verfahren der Bildfindung und Bilderfindung, die Möglichkeiten der Vervielfältigung sind dabei nachrangig. In ihrer visuellen und haptischen Form unterscheiden sich Grafiken von anderen künstlerischen Werken, auch ist die künstlerischen Herangehensweise und Strategie eine andere: Während in der Malerei direkt auf der Leinwand und in der Bildhauerei direkt am Stein gearbeitet wird, findet die grafische Arbeit zunächst auf einem Zwischenträger, einer Holzplatte, einem Stein, einer Kupferplatte statt. Hier wird die Zeichnung, die Struktur auf- bzw. abgetragen, oft mit erheblichem Widerstand des Materials. Erst in einem zweiten Schritt, dem Färbeprozess mit anschließendem Druckvorgang, entsteht das endgültige künstlerische Werk.
Das Arbeiten in zwei Schritten ist für alle Drucktechniken bestimmend. Beide Schritte sind hierbei gleichermaßen wichtig und die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltung erfolgt erst nach unterschiedlichen Probeabzügen. So kann eine gut gearbeitete Platte bei schlechtem Druck jeden Reiz verlieren, andererseits können eine missglückte Gravur oder eine einfach nur vorgefundene Platte bei geeigneter Einfärbung unvorhergesehene Qualitäten entwickeln. Der Weg dorthin ist mit Widrigkeiten und Überraschungen gepflastert und darin liegt die besondere Qualität der Grafik: Die künstlerische Arbeit als Korrespondenz mit dem Material. Fast unmöglich erscheint es, ein geplantes Bild mechanisch auf den Druckstock zu übertragen und da, wo es gelingt, ist das Resultat meist erkaltet.
Vom Gebrauch altertümlicher Werkzeuge und dem Geruch von Wachs, Teer und Terpentin hat sich die Druckgrafik längst befreit und verortet sich als zeitgemäßes Medium unter Einbeziehung digitaler und fotografischer Verfahren. Die Grafik lebt vom Ungewissen, vom Eigenleben und oft auch vom Misslingen. Die Arbeit in der Werkstatt erfordert viel Zeit, so viel Zeit, dass allein diese Eigenschaft in der Gegenwart oft als Zumutung empfunden wird. Diese Zeit nehmen wir uns gerne.
Ausstattung der Werkstätten
- Die Werkstätten für Freie Druckgrafik arbeiten non-toxisch.
- Giftige Chemikalien und andere Gefahrenstoffe wurden weitgehend durch ungiftige und umweltfreundliche Produkte ersetzt.
- Die Werkstätten verfügen über eine Radierpresse, Schlittengröße 60 x 100 cm, eine Breisch-Radierpresse, Schlittengröße 80 x 150 cm, eine Plankenhorn-Radierpresse, Schlittengröße 130 x 240 cm sowie eine Lithografiepresse, Schlittengröße 75 x 95 cm.
- Ein separater Raum mit Abluftanlage ermöglicht das Ätzen nach dem unschädlichen Edinburgh-Verfahren, sowie das Belichten und Entwickeln von Fotoradierungen.

Linolschnitt
Film von Jackie Youn

Vernis mou Radierung
Film von Jackie Youn

Chinesischer Holzschnitt »Die Geschichte des Westzimmers«
Shikai Tao

Wind
Idee, Animation: Katharina Holl
Sound: Daniel Eyrich
2015





Anastasia Ruchkina, Radierung

Franziska Kronmüller, Linolschnitte

Carla Imkeller, Installation

Jakyung Youn, Linolschnitt

Daniel Eyrich, Transferradierung

Julia Eichler, Fotoradierung

Dominik Gussmann, Fotoradierung

Yong-Kang Yuan, Radierung und Carborundum

Linda Weiß, Holzschnitt

Lisa Peil, Monotypie

Xingni Li, Cyanotypie
Projekte

links berge rechts seen
AusstellungsplakatFoto: Christoph Löw von und zu Steinfurth
links berge rechts seen
Eröffnungsrede von Prof. Dr. Juliane Rebentisch am 26. April 2012 im Kunstverein Familie Montez, Frankfurt am Main
Freie Druckgrafik, Der Titel dieser Ausstellung »links berge rechts seen« bezieht sich auf ein Schriftstück, das auf den Tag genau 676 Jahre zurückdatiert. In einem am 26. April 1336 abgefassten Brief schildert nämlich der Dichter und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca, wie er mit seinem Bruder den Mont Ventoux in der Provence bestieg. Oben angekommen liegt die Landschaft vor ihm: links Berge, rechts Seen. Petrarcas Landschaftserfahrung auf dem Berg gilt aber zugleich auch als kulturhistorischer Schlüsselmoment an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit, insofern Petrarca hier im Medium der Landschaftsbetrachtung zugleich auf seine eigene Subjektivität reflektiert.
Volker Steinbacher und die mit ihm arbeitenden Studierenden sehen die Druckgrafik auf einer ähnlichen, einer – könnte man sagen – kunsttheoretisch tatsächlich epochalen Schwelle. Wir haben es hier also mit einer Ausstellung zu tun, die auf ein ganz neues Verständnis der heute vorderhand vielleicht etwas angestaubt wirkenden Druckgrafik zielt. Sie zeigt die Arbeitsergebnisse eines Jahres der intensiven Auseinandersetzung mit der Frage, wie die altehrwürdige Institution der Druckgrafik im Zeichen der entgrenzten Kunst der Gegenwart neu erfunden werden kann. Tatsächlich ist ja die Gegenwartskunst voll von hybriden Werken, die sich zwischen den Künsten situieren und ganz offensichtlich der gattungstheoretischen Einteilung der Kunst nach Künsten sperren. Darüber hinaus aber hat die Kunst auch, zweitens, zunehmend kunstfremde Elemente in sich aufgenommen, so dass der Status der traditionellen Kunstgattungen mit ihren Darstellungsformen und -medien für den Begriff von Kunst überhaupt fraglich wird. Wenn Kunst aber nicht mehr einfach dort aufgefunden werden kann, wo sie – nach traditioneller Gattungskonvention – auf dem Sockel, im Rahmen oder hinter Glas an der Wand präsentiert wird, so stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich dadurch für eine traditionelle Disziplin wie die der Druckgrafik ergeben. Überdies müssen sich die analogen Techniken der Druckgrafik heute der Herausforderung durch ganz andere, nämlich digitale Möglichkeiten des Bildermachens stellen.
Vor diesem letzten Hintergrund entfaltet die veraltete Technik aber gerade einen besonderen Reiz – und zwar als eine Art Kontrapunkt zur Herrschaft des Digitalen. Bildentscheidungen sind hier, anders als bei der digitalen Arbeit mit Bildern, unumkehrbar. Zudem gibt es in den Prozeduren der Bilderzeugung ein Moment des Unkontrollierbaren – die Säure etwa, die zu den Ätzverfahren gehört, lässt sich nicht vollständig beherrschen; es gibt da stets eine Verselbständigung des Materials gegenüber dem, was künstlerisch planbar ist, entsprechend überraschend ist auch etwa der Augenblick, wenn der Prozess des Druckens abgeschlossen ist, das Papier angehoben wird und das Ergebnis sichtbar wird, immer zusätzlich verfremdet aus der Perspektive des Künstlers oder der Künstlerin übrigens dadurch, dass das Ergebnis spiegelverkehrt zu der Vorlage erscheint, an der sie zum Teil lange gearbeitet und in das sie sich eingesehen haben. Die relative Eigenlogik des Materials in solchen Verfahren erhöht nicht nur das Risiko des Scheiterns, sondern auch die Präsenz des eingesetzten Materials. Alle diese Komponenten einer in der digitalen Welt der Verfügbarkeit und der glatten Oberflächen nicht mehr vorkommenden Widerständigkeit mögen schon Grund genug sein, sich gerade heute wieder für Druckgrafik zu interessieren. Wollte man das etwas pathetischer ausdrücken, könnte man die Sensibilität der Studierenden für diese Aspekte des veralteten Mediums mit der von Walter Benjamin den Surrealisten zugeschriebenen Sensibilität für die revolutionären Energien des »Veralteten« vergleichen. Hier kehrt man folglich nicht einfach nur zu einer alten Technik zurück, sondern tut dies im Horizont ganz gegenwärtiger Fragen. So sieht man in der Ausstellung eine ganze Reihe von Arbeiten, die die Aktualität traditioneller Verfahren der Druckgrafik erschließen: das gilt für die Linolschnitte von Isabel Scheid und Sarah Marie Vesper ebenso wie für die nachkolorierten Radierungen von Markus Marsch, die ornamentalen Miniaturen von Martin Schmidt oder die skripturalen Radierungen von Rachel Hirth.
In diesem Zusammenhang steht auch die Aufmerksamkeit für die traditionelle Nähe bestimmter druckgrafischer Verfahren zur Darstellung düsterer Szenarien, zu den Nacht- und Schattenseiten der Welt, um diese im Blick auf beispielsweise die Darstellung bestimmter zeitgenössischer Architekturen – speziell die unheimliche Qualität spätmoderner Nicht-Orte – produktiv zu machen, wie das auf ganz eindrückliche Weise in den Aquatinten von Max Geisler der Fall ist.
Aber der Rückgriff auf die Druckgrafik im Lichte zeitgenössischer Entwicklungen erfolgt durchaus nicht nur im Sinne einer Wiederentdeckung ihrer traditionellen Ausdruckskraft im digitalen Zeitalter. Vielmehr – und hier stehen wir erst eigentlich auf der Schwelle eines neuen Verständnisses von Druckgrafik – wird die Druckgrafik selbst auf andere Medien, Techniken, Verfahren, Künste, und auf konkrete räumliche, institutionelle und andere Kontexte geöffnet. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie zunächst darauf aufmerksam machen, dass die Künstler und Künstlerinnen hier – alle – und zwar auch dort, wo sie auf traditionelle Verfahren zurückgegriffen haben, eine Sensibilität für den Umstand haben, dass die Arbeiten mit ihrem Umfeld kommunizieren, bei einigen ist es sogar so, dass die Umgebung, also die spezifischen Gegebenheiten des Ausstellungsorts regelrecht Teil des Werks sind. Auch dies ist freilich eine Konsequenz aus der Entwicklung hin zu offenen Werkformen, die die Grenze zwischen Kunst und Nichtkunst gezielt destabilisieren. Also: Es gibt hier, bereits in der Präsentationsweise, eine gewisse Neuperspektivierung der Druckgrafik, nämlich durch die Einsicht, dass sie nicht mit dem Rechteck des Papiers aufhört, auf das sie gedruckt sein mag, sondern dass die Präsentationsweise, die Umgebung, auch die Nachbarschaften zu anderen Arbeiten – das wird ja in Gruppenausstellungen immer besonders anschaulich – etwas sind, das den Gehalt der Arbeiten selbst betrifft.
Es mag mit der jüngeren Entwicklung in der Kunst zwar unmöglich geworden sein, die Kunst schlicht mit den Konventionen der alten Künste zu identifizieren; was den Status der alten Gattungen unklar werden lässt – es liegt darin aber auch eine große Chance, eine Chance, die Volker Steinbacher und seine Studierenden ergriffen haben, nämlich die Chance, die alten Künste, also zum Beispiel die alte Kunst der Druckgrafik auf neuartige Weise zu reflektieren. Das beginnt mit einer internen Reflexion auf die medialen Bedingungen der Druckgrafik – zum Beispiel auf das freie Verhältnis von Papier und Platte etwa, wie dies bei Laura Ausserehl der Fall ist, die unterschiedliche Platten auf ein Stück Papier aufgebracht hat, oder man kann von einem Linolschnitt mehrere Drucke anfertigen, die man dann auf einem Papier collagiert, wie Max Kolten das in seiner Arbeit vorführt. Darüber hinaus lässt eine Reflexion auf die mediale Spezifik der Druckgrafik auch die interne Hybridisierung der getrennten druckgrafischer Verfahren zu, so etwa die Hybridisierung von Hoch- und Tiefdruck, wie dies auf sehr unterschiedliche Weise in den Arbeiten von Volker Steinbacher und Dominik Gussmann der Fall ist. Schließlich lassen sich druckgrafische Verfahren aber auch mit anderen Formen der Bildgewinnung hybridisieren. So hat Xingli Li ein Verfahren entwickelt, wie man Polaroids auf Papier durch die Druckpresse auf Papier bringen kann.
Aber die Druckgrafik erscheint nicht nur im Blick auf solche Experimente mit ihren medialen Bedingungen in neuem Licht, vielmehr werden einzelnen Aspekte des »Dispositivs Druckgrafik«, wenn ich es mal so nennen darf, isoliert – also die einzelnen Elemente, die für die diversen unter der Überschrift Druckgrafik fallenden Verfahren nötig sind, ob nun manuelle Stichverfahren oder Ätzverfahren, ob Hoch-, Tief-, oder Flachdruck. Diese Elemente werden für sich reflektiert, indem sie als solche freigestellt oder in andere Medien übertragen werden. die Druckgrafik, die sie in dieser Ausstellung sehen, artikuliert sich deshalb auch und gerade da neu, wo sie vorderhand gar nicht mehr nur oder überhaupt nicht mehr als Druckgrafik erscheint.
Da haben wir zum Beispiel die Arbeit von Nadine Eleni Kolodziey, die das Kratzen als Grundtätigkeit druckgrafischen Schaffens in eine andere mediale Konstellation gebracht hat. Sie hat schwarze Farbe auf Glasplatten aufgetragen und in diese dann hineingekratzt. Ein Verfahren, das weitere mediale Möglichkeiten im Offsetbereich und der Fotografie eröffnet. Polly Livshits hat den Druckstock selbst als Bild verstanden, von dem man also nicht nur abdrucken kann, sondern das selbst eine ästhetische Qualität aufweist, mit der weiter gearbeitet werden kann. Stephanie Wicker hat alte mit Asphaltlack überzogene Druckplatten in eine installative Anordnung gebracht. Daniel Stern hat von Hand Abriebe von vorgefundenen Oberflächen unterschiedlicher Arbeitstische angefertigt.
Laura Fugger hat Linolschnitte auf Glasplatten aufgebracht, die sie übereinander geschichtet hat, wodurch ein Spiel zwischen Zwei- und Dreidimensionalität entsteht, und hier in der Installation in der Ausstellung auch ein besonders deutliches Spiel mit dem Ausstellungsraum, der hier mehr ist als bloßer Hintergrund, nämlich materieller Träger und visueller Teil des Werks. Auf andere Weise ist dies auch das Thema der Arbeit von Swenja Bergold, die eine Plexiglasscheibe von zwei Seiten bedruckt hat und in den Raum gehängt hat, wodurch der Raum nicht nur durch das Werk durchscheint, sondern auch die Zweidimensionalität der Scheibe mit der dreidimensionalen Vielansichtigkeit der Skulptur kombiniert wird: Denn um das Werk zu erfahren, müssen Sie um es herumgehen wie um eine Skulptur. Für Emilia Neumann ist die Stele ebenso Teil ihrer Arbeit wie die Präsentationsweise ihrer Bergarbeiten auf Kartons. Die Präsentationsweise wird auch hier, wenn auch auf andere Weise, im Medium der Kunst thematisch: sie ist Teil, nicht bloßes Beiwerk des »Dispositivs Druckgrafik«. Nicola Reinitzer schließlich hat das Abdrucken von vorher festgelegten Strukturen komplett von den Vorgaben der Druckgrafik abstrahiert und in einen ganz anderen Kontext transferiert: Sie hat einen Latex-Abguss ihres eigenen Körpers angefertigt.
Zum Glück sind die Künstler und Künstlerinnen alle und ist auch Volker Steinbacher da, um nähere Auskunft zu den Arbeiten hier und zum Arbeitsprozess in der Werkstatt zu geben.
Bleibt mir, Volker Steinbacher und seinen Mitstreitern zum gelungenen Bergaufstieg zu gratulieren – und Ihnen allen viel Vergnügen beim Schauen zu Wünschen.

links berge rechts seen
Ausstellung im Kunstverein Famile Montez Frankfurt

Kalender
19. Mai 2014 bis 9. Juli 2022Hot Printing Festival
bis 10. JuliExperiment Druck. Moderne und zeitgenössische Druckgrafik
bis 4. September Klingspor Museum, OffenbachJUXTAPOSITION
bis 7. NovemberNo Strg Z
bis 26. JuliJäger und Sammler
bis 30. JuniNews
Out now: Publikation »No Strg Z«
Die Publikation »No Strg Z« über die Freie Druckgrafik der HfG Offenbach mit Texten von Bernd Kracke, Volker Steinbacher, Hans Zitko und Stefan Soltek ist erschienen. Die Gestaltung der Broschüre übernahm Katharina Holl.