Philosophie und Ästhetik
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Prof. Dr. Juliane Rebentisch
T +49 (0)69.800 59-233
Hauptgebäude, Raum 302a
Nikolaus Kockel
Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Kockel@hfg-offenbach.de
Riccarda Weih
Assistenz
weih@hfg-offenbach.de
Die Ästhetik steht heute vor besonderen Herausforderungen, denn die Grenzen des Ästhetischen scheinen sich zunehmend aufzulösen. Davon zeugt die kunstkritische Rede von der „Entgrenzung der Kunst und der Künste“ ebenso wie die kulturkritische von der „Ästhetisierung der Lebenswelt“. Mit der Rede von der Entgrenzung der Künste soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass wir es heute zunehmend mit hybriden Werken zu tun haben, die sich nicht mehr hinreichend aus der Entwicklungslogik einer Kunst erklären lassen. Darüber hinaus aber hat die Kunst auch zunehmend kunstfremde Elemente in sich aufgenommen, sie hat sich auf das Leben geöffnet. Beide Entwicklungen forcieren die Grundsatzfrage: Was ist Kunst? Und diese Frage ist immer schon mit weiteren grundsätzlichen Fragen verschränkt: Gibt es überhaupt etwas wie eine Eigenlogik des Ästhetischen, die sich vom Nichtästhetischen unterscheiden lässt? Und wenn ja: Was folgte daraus für die kulturkritische Rede von einer Ästhetisierung der Lebenswelt? Denn damit ist eine Diagnose gemeint, die derjenigen von der Entgrenzung der Kunst und der Künste genau komplementär ist. Mit Ästhetisierung ist ein Prozess gemeint, in dem vormals nichtästhetische Bereiche wie zum Beispiel die Ethik und die Politik durch ein verstärktes Eindringen des Ästhetischen verändert werden. Und nicht zum Guten, glaubt man der Kritik: Denn Ästhetisierung meint keineswegs bloß ein Phänomen der Oberfläche. Im Gegenteil – der so bezeichnete Prozess soll in die Tiefenstruktur unserer ethischen Selbstverständnisse wie unserer politischen Kultur hineinreichen. An die Stelle der Ethik trete eine individualistische Ästhetik der Existenz; an die Stelle der Politik deren spektakuläre Inszenierung. Der Begriff der Ästhetisierung bezeichnet mithin eine tiefgreifende Transformation von Ethik und Politik; und zwar eine Transformation, durch die Ethik und Politik sich selbst fremd, nämlich ästhetisch werden. Das Ästhetische erscheint dabei nicht als Bedrohung von außen, sondern als eine Form der Entstellung, die Ethik und Politik von innen her zersetzt, weil in ihrer normativen Substanz aushöhlt.
Während die Diagnose von der Entgrenzung der Künste also die Frage nach der Grenze zwischen Ästhetischem und Nichtästhetischem für das Feld des Ästhetischen stellt, geht es in der Diagnose von der Ästhetisierung der Lebenswelt um die Grenze zwischen Ästhetischem und Nichtästhetischem auf dem Feld des Nichtästhetischen. Das aber heißt auch: Ästhetisches und Nichtästhetisches können einander offenbar nicht äußerlich – als klar umrissene Gegenstandsbereiche – gegenübergestellt werden. Dadurch wird jedoch die Frage nach dem Verhältnis von Ästhetischem und Nichtästhetischem nicht obsolet. Im Gegenteil, sie stellt sich neu: Es muss darum gehen, aus den Diagnosen ihrer wechselseitigen Durchdringung ein besseres Verständnis ihrer Unterschiede zu gewinnen.
Man muss also genauer hinschauen. Denn in beiden Debatten firmiert das Ästhetische als Oberbegriff für höchst unterschiedliche Phänomene, deren Verhältnis es zu beleuchten gilt. So stellt sich – und zwar im Zeichen des wechselseitigen Grenzübertritts verstärkt – die Frage nach dem Verhältnis, in dem die Kunst zum Design steht. Wie verhalten sich die beiden ästhetischen Praxisformen zueinander? Gibt es eine eigene Politik der Kunst, gibt es eine – vielleicht komplementär zu denkende – des Designs? Im Blick auf die kulturkritische Rede von der Ästhetisierung ist dagegen bereits zu prüfen, ob die Kennzeichnung ästhetisch hier nicht zuweilen auch bloß als rhetorisches Mittel eingesetzt wird, um Elemente aus Politik und Ethik auszuschließen, die gar nicht originär ästhetisch sind. Um das zu klären, bedarf es nicht nur eines genaueren Blickes auf all die vorderhand ästhetischen Phänomene, die unter dem Titel der Ästhetisierung verhandelt werden. Man muss sich auch den ethisch-politischen Problemen zuwenden, die die Kritik motivieren und den Zusammenhang ihrer höchst unterschiedlichen Motive verständlich machen. Schließlich sind die aktuellen Grenzdiskussionen in eine historische Perspektive zu rücken. Haben wir es tatsächlich mit neuen Phänomenen zu tun? Und gilt dies für beide Diskussionszusammenhänge gleichermaßen? Wenn ja: Welche Rolle spielen technologische und ökonomische Faktoren für die jeweiligen Entwicklungen?
Je nach dem, wie man sich zu diesen Fragen stellt, soviel ist allerdings klar, ergeben sich weitreichende Konsequenzen für das Selbstverständnis ästhetischer Praxis heute. Ich verstehe meine Aufgabe an der HfG Offenbach nicht zuletzt dahingehend, solche Grundsatzdiskussionen anzuregen und zu ihnen einen Beitrag zu leisten. Damit ist zugleich auch gesagt, dass ich mir den Schrägstrich zwischen Philosophie und Ästhetik in der Denomination der Professur (Philosophie/Ästhetik) als durchlöcherten vorstelle. Denn vor dem Hintergrund der aktuellen Grenzspiele des Ästhetischen wird nur noch einmal ausdrücklich, was immer schon galt: Man kann nicht vernünftig Ästhetik betreiben, wenn man nicht auch Fragen aus den Bereichen der theoretischen und der praktischen Philosophie mitbehandelt. Das gilt aber auch für die andere Seite: Man verpasst entscheidende Pointen der theoretischen und der praktischen Philosophie, wenn man nicht nach den ästhetischen Dimensionen unserer theoretischen und praktischen Weltverhältnisse fragt. In beide Richtungen ist meine Arbeit an diesem Austausch interessiert und richtet sich damit gegen die Selbstbeschneidung der Philosophie, wie sie durch ihre übliche Unterteilung in Spezialgebiete entsteht.
Doktorand_innen
Helene Deutsch
Über Humor in der zeitgenössischen Kunst
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Christiane Voss (Zweitbetreuung)
Thomas Dierkes
Rationalität und Vernichtung. Zur Ästhetik des Reichssicherheitshauptamts 1939-1945
Betreunde: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Heiner Blum
Jonas Englert
Erscheinungsweisen des geschichtlichen Jetzt
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Heiner Blum
Nils Fock
Bestreitung. Negative Ästhetik nach Georges Bataille
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch
Ulrich Gebert
Entrückte Dinge. Fotografie und ihre Weltbezüge
Betreuerin: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Bernd Stiegler (Zweitbetreuung)
Dominik Gussmann
Die Poesie der Übersetzung. Eine Theorie zeitgenössischer Druckgrafik unter dem Aspekt der Bildübertragung
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Christian Janecke (Zweitbetreuung)
Julia Hainz
Ästhetik der Fluidität. Über performative Differenz im Jenseits kapitalistischer Flexibilisierungen
Betreuerinnen: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Kerstin Cmelka
Magdalene Hengst
Erfahrung, Körper, Verletzbarkeit.Die Phänomenologie der körperlichen Versehrtheit Jean Amérys
Nikolaus Kockel
Relevanzarbeit
Betreuerin: Prof. Dr. Juliane Rebentisch
Johanna Laub
Ambivalenzen der Vergegenwärtigung. Geschichte und historische Erfahrung in hybriden Bewegtbildern der Gegenwartskunst
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Marc Siegel (Zweitbetreuung)
Nina Wood
Autotheorie. Schreiben aus Bruchstücken als queer_feministische Praxis
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Heinz Drügh (Zweitbetreuung), Prof. Heiner Blum
Adrian Williams
The Horses Mouth: Unmasking the Ideologies of Voice
Betreuende: Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Marie-Hélène Gutberlet
Informationen zur Promotion
Abgeschlossene Promotionen
Abgeschlossene Promotionen (Zweitbetreuung extern)
- Dr. Rebecca Boguska
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Dr. Leonie Hunter
- Prof. Dr. Marina Martinez Mateo
- Dr. Jochen Schuff
Projekte
Kalender
18. Juni 2019 bis 25. April 2023Anke Kempkes: Unsichtbare Avantgarde. Künstlerinnen 1964–1979
18:00 Uhr, Isenburger Schloss, linke KapelleNews
Kongress »Das ist Ästhetik!«
Vom 14. bis 17. Februar 2018 findet der 10. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik (DGÄ) unter dem Titel »Das ist Ästhetik!« an der HfG Offenbach statt. Präsidentin der DGÄ ist Juliane Rebentisch, Professorin für Philosophie und Ästhetik an der HfG.
Deutsche Gesellschaft für Ästhetik
Die HfG Offenbach ist für die nächsten drei Jahre Sitz der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik. Präsidentin der Gesellschaft für diese Zeit ist Prof. Dr. Juliane Rebentisch.